„People and Culture“ ersetzt mittlerweile vielerorts den altbekannten „Human Resources“-Begriff. Die Message: Mitarbeiter*innen und Unternehmenskultur werden gefördert, der Mensch ist keine Ressource mit ökonomischem Wert. Ein leeres Versprechen oder Auftakt für eine neue Ausrichtung von Personalabteilungen?
Die Personalarbeit im Wandel
2020 war ohne Frage kein einfaches Jahr für Unternehmen und deren Mitarbeiter*innen. Während Themen wie die Digitalisierung, New Work und Homeoffice bereits in den Jahren zuvor immer heißer diskutiert wurden, hat die Coronakrise ein für alle Mal deutlich gemacht, wie wichtig ein Um- und Neudenken bestimmter Personalprozesse ist. Nicht zu vergessen ist dabei der hybride Arbeitsmarkt, der zwar auf der einen Seite aus Bereichen mit einem Überangebot besteht, auf der anderen Seite aber Bereiche mit einem Engpass verzeichnet (Stichwort War for Talents) und die Suche nach Spezialist*innen zunehmend erschwert.
Diese Entwicklungen bestärken Unternehmen in dem Wunsch, an ihren eingearbeiteten und qualifizierten Mitarbeiter*innen festzuhalten, anstatt Zeit und Ressourcen in das Recruiting von neuem Personal zu stecken. Laut des HR Reports 2021 bleibt die Mitarbeiterbindung das relevanteste Handlungsfeld im HR-Bereich. Gleichzeitig können sich auf Seite der Arbeitnehmer*innen 39 Prozent einen Jobwechsel gut vorstellen.
Natürlich war einigen Personaler*innen auch in den vergangenen Jahren bewusst, dass ein Umdenken nötig ist und sie Mitarbeiter*innen nicht als “Ressourcen” ansehen können. Die Coronakrise hat dieses Bewusstsein jedoch noch weiter bestärkt. Dadurch ist die Frage, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden halten können, jetzt aktueller denn je. Und auch die scheinbare Lösung ist nicht neu, aber dafür derzeit wieder am Aufleben. “People and Culture” ist in vielen Unternehmen der neue, offenere und persönlichere Begriff für die Arbeit mit und für das Personal.
Menschen als Mitwirkende für den Unternehmenserfolg
Der Erfolg der Firma ist abhängig von der Qualität und dem Wert der Mitarbeitenden, den die Unternehmen ihren Angestellten beimessen. Eine erfolgreiche Software liegt (zumindest zum Teil) in den Händen der IT-Abteilung, genauso wie hinter einem oft verkauften Produkt ein geschicktes Sales-Team steckt. In diesem Team stecken wiederum Individuen mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen, die maßgeblich zum Erfolg des Projektes beitragen. Mit der Zufriedenheit der Mitarbeitenden steht und fällt dabei ein Unternehmen. Deswegen ist es umso wichtiger, das Befinden jedes Einzelnen im Blick zu behalten und wertzuschätzen.
In einem kleinen Handwerksbetrieb mit 20 Mitarbeitenden lässt sich das nun auf den ersten Blick weitaus einfacher umsetzen als in einem Großunternehmen mit mehreren Standorten und einer Besetzung von mehreren Tausend Angestellten. Wo die Chef*in in einem Kleinunternehmen ihren Angestellten beispielsweise ihren Lieblingskuchen zum Geburtstag backen kann, weil sich das Team untereinander kennt und wertschätzt, wird ein Konzernboss nicht das gleiche für jede*n Mitarbeiter*in bewerkstelligen können.
Das heißt allerdings nicht, dass es in Großunternehmen nicht möglich ist, die Mitarbeitenden zu kennen und wertzuschätzen. Hier kann trotzdem eine “Familienunternehmenskultur” in den einzelnen Abteilungen, Teams und Standorten geprägt werden. Dafür müssen Führungskräfte und Personaler*innen bestimmte Leitwerte und Vorgaben festlegen und an die einzelnen Teamleiter*innen weiterreichen. Diese sind dann der entscheidende Faktor bei der Umsetzung der Firmenkultur – indem sie die Werte verinnerlichen und ihrem Team täglich vorleben.
Hier liegt der Knackpunkt für Großunternehmen.
Für das Sicherstellen der individuellen Zufriedenheit und Förderung der Mitarbeitenden müssen diese mehr als eine Zahl, eine “reine” Ressource, sein. Besonders, wenn der Überblick über hunderte Mitarbeitende alleine anhand der Zahl erschwert wird, sollte der Blickwinkel keine zusätzliche Last darstellen. Eine Personaler*in, die ihre Mitarbeitenden als eine Nummer sieht, wird mögliche Unzufriedenheiten schwerer erkennen, als eine, die ihre Mitarbeitenden anhand ihrer Bedürfnisse und Kompetenzen einschätzt und diese vor allem wertschätzt.
Mit einem Fokus auf die Unternehmenskultur die Menschlichkeit stärken
Ein Ansatzpunkt ist dabei die Etablierung und Förderung einer Unternehmenskultur, die einen entscheidenden Anteil zu der Mitarbeiterzufriedenheit und –bindung beisteuert. So regt eine unpassende Firmenkultur jeden Zweiten zu einer Kündigung an. Passend dazu sehen Unternehmen ein „gutes“ Betriebsklima als Top-Maßnahme für die Bindung der Mitarbeitenden.
Führungskräfte und Personaler*innen sollten in ihrem Unternehmen für ein angenehmes, wertschätzendes Betriebsklima sorgen, Werte definieren, die im Unternehmen gelebt werden und so ein System gemeinsam geteilter Muster schaffen. Gemeinsame Rituale, beispielsweise bei der Einstellung eines neuen Teammitglieds, können dabei ein Gemeinschaftsgefühl schaffen und die Rolle jedes Einzelnen für das Unternehmen betonen. Das Vorleben eines offenen und harmonischen Umgangs hilft dabei außerdem, auch in härteren Zeiten die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu halten.
Die Digitalisierung macht es möglich
Die Fokusverschiebung, Mitarbeitende nicht mehr als Ressourcen, sondern als Menschen zu betrachten, wird aktuell von den Möglichkeiten der Digitalisierung unterstützt. Mit neuen digitalen Tools und Methoden nimmt der Aufwand für administrative Aufgaben zunehmend ab. Angelegenheiten wie das Schreiben der Lohnabrechnungen können Personaler*innen mittlerweile an Maschinen auslagern.
Dadurch können sie sich auf andere, menschenbezogene, Aufgaben konzentrieren. Neben dem Ausbau der Kultur bedeutet das beispielsweise mehr Zeit für ein umfangreiches Onboarding oder regelmäßige Mitarbeitergespräche. Diese sollte HR unbedingt nutzen und wertschätzen.
Remote Work als Herausforderung
Gleichzeitig bringt die Digitalisierung auch ihre Probleme mit sich. Denn in Zeiten von New Work und Homeoffice müssen Mitarbeitende, die nicht zur Generation “Digital Natives” gehören, ggf. etwas mehr an die Hand genommen werden. Denn sie dürfen nicht den Anschluss verlieren, um weder Produktivität noch Zufriedenheit einzubüßen.
Zeitgleich erschwert die aktuelle Lage, in der das Team teilweise oder vollständig remote arbeitet, die Förderung einer gemeinsamen Kultur. Durch die individuelle Arbeit im Homeoffice kann dabei das Gemeinschaftsgefühl schnell verloren gehen, wenn es nicht gerade jetzt zusätzlich gefördert wird. Im Büro war eine Unterhaltung, aufbauende Worte und Unterstützung meist einen Schreibtisch weiter entfernt. Nun besteht die Gefahr, dass sich die Mitarbeitenden am eigenen Schreibtisch zu Hause allein gelassen fühlen.
Folglich ist es besonders wichtig, die Verbindungen innerhalb des Teams aufrechtzuerhalten. Durch virtuelle Lunch-Meetings, Sprints und andere digitale Treffen. Gerade jetzt heißt es: aktiv die Gesundheit und die Motivation der Mitarbeiter*innen fördern! Dann ist die Frage nach der Produktivität im Homeoffice auch eine geringere Sorge *zwinker*.
Eine Umbenennung als Anstiftung für eine neue Ausrichtung?
Diese Fokusverschiebung, samt neuen Maßnahmen und Ideen, scheint nun ein großer Hintergedanke für eine „bloße“ Veränderung des Namens zu sein. Verspricht die Idee doch mehr als sie halten kann? Wenn sich die Chef*in plötzlich „agiler Coach“ nennt, aber kein Feedback von den Mitarbeiter*innen annimmt und stur von oben nach unten kommuniziert und agiert, wird sich schließlich an der Kultur wenig ändern.
Die Umbenennung an sich kann dabei als eine hübsche Verpackung von einem Geschenk betrachtet werden, dessen Inhalt zunächst noch eine Überraschung für die Mitarbeitenden bleibt. Das Äußerliche verspricht einiges – in diesem Fall einen aktiven Veränderungsprozess. Ob diese hohen Erwartungen auch erfüllt werden, liegt allerdings auf Seiten des Unternehmens.
Das Umsetzen der Idee zählt!
„Human Resources“ ist ein Begriff, der sich jahrelang etablieren konnte und deswegen in einem Großteil der Unternehmen weiterhin verwendet wird. Kritik ist besonders dann angebracht, wenn Arbeitgeber die Mitarbeiter*innen als das behandeln, was der Begriff verspricht: eine Ressource mit ökonomischem Wert. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen im Personalwesen sollten Arbeitgeber mehr denn je auf einen sensiblen und wertschätzenden Umgang mit den eigenen Mitarbeitenden achten und ihre Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigen.
Wer hier keinen Mehrwert oder Entwicklungspotenziale liefert, wird früher oder später qualifiziertes Personal verlieren und auch im Recruiting neuer Talente auf Probleme stoßen. Die Einstellung, die Personalarbeit auf die Arbeit mit und für die Menschen im Unternehmen auszurichten, ist hier entscheidend. Der Name, ob „People and Culture“, „Human Relations”, „People Operations” oder „Human Resources“, ist dabei für die Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen kaum von Bedeutung.
„People and Culture“ muss mehr sein als ein schöneres Synonym für „Human Resources“. Es ist eine grundlegende Veränderung der Einstellung gegenüber den aktuellen und künftigen Mitarbeiter*innen. Gleichzeitig ist es damit aber auch eine neue Selbstwahrnehmung von Personaler*innen. Oder, wie d.velop die eigene Umbenennung begründet hat:
Unsere Learnings
- Um einer hohen Wechselbereitschaft entgegenzuwirken, ist eine Konzentration auf die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen von zentraler Bedeutung. Angefangen bei einem ausführlichen Onboarding - bis zu regelmäßigen Mitarbeitergesprächen.
- Eine gelebte, teamorientierte und positive Unternehmenskultur sorgt selbst in schwierigeren Zeiten für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und –bindung. Gleichzeitig hilft sie Arbeitgebern dabei, sich von ihren Konkurrenten abzugrenzen.
- Ob unter dem Namen „Human Resources“ oder „People and Culture“ – eine Umbenennung macht wenig Sinn, wenn sie nicht mit einem tieferen Umdenken und vor allem Handeln verbunden wird.
Hier finden Sie weitere nützliche Beiträge zu diesem Thema:
- Warum HR jetzt Mut beweisen muss
- HR-Transformation: Die neue Rolle von Human Relations
- Experteninterview mit Eva Stock: Recruiting ist eine Frage der Einstellung
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