Im Interview mit Orlando Policicchio, Co-Founder von der Mitarbeiter-Feedback-Plattform Company Mood, dreht sich alles um die Mitarbeiterzufriedenheit und –bindung. Wie ernst sollten Unternehmen ihre Kununu-Bewertungen nehmen? Welche Themen sind aktuell im digitalen Recruiting wichtig? Und wie kann Unternehmenskultur außerhalb des Kulturraumes “Büro” aussehen? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Orlando im #HRunited-Interview.
Hallo Orlando – schön, dich auf unserem Blog begrüßen zu dürfen! Fangen wir doch direkt mit einer kleinen Vorstellungsfrage an:
Was hat dich denn damals zum Thema der Mitarbeiterzufriedenheit und damit zur Gründung von CompanyMood geführt?
Orlando: Mein Mitgründer Markus Schwed und ich haben als Führungskräfte die Erfahrung gemacht, dass im Tagesgeschäft schnell wachsender Teams das persönliche Gespräch mit Mitarbeiter*innen zu kurz kommt. Als Konsequenz waren wir nicht immer übergreifend über die Stimmung, Herausforderungen oder Konflikte in den Teams informiert. So haben wir trotz offener Ohren, Türen und freundschaftlichem Verhältnis zu den Teams, wichtige Teammitglieder durch Kündigung verloren.
Wir haben uns dann überlegt, wie wir dies ohne „langweilige“ und „aufgeblasene“ Jahresumfragen im Blick behalten können. Und das hat intern mit einem selbstentwickelten Stimmungsbarometer super funktioniert, bevor wir den Schritt in ein eigenes Unternehmen gegangen sind. Das bedeutet auch, dass wir CompanyMood praxisnah und praktisch gestaltet haben, damit MitarbeiterInnen und Führungskräfte wirklich etwas ändern können und die Unternehmen dies schneller zur Kenntnis nehmen.
Auf jeden Fall eine tolle und vor allem wichtige Idee, schließlich sind motivierte und zufriedene Mitarbeitende das A und O für einen langfristigen Unternehmenserfolg. Der Blick auf die Stimmung in den einzelnen Teams ist dabei definitiv ein wichtiger Schritt…
Aber spielt die passende Vorauswahl da nicht auch eine große Rolle?
Orlando: Definitiv. Eine sehr große Rolle sogar.
Es kommt aber auch oft vor, dass Unternehmen die Wünsche der entsprechenden Berufsgruppen falsch einschätzen oder wichtige Trends verpassen.
Gerade für Unternehmen mit einer Vielzahl von zu besetzenden Rollen wird dies schwieriger. Eventuell helfen da Methoden wie Charakteranalysen (DISC) etc.. In allen Fällen hilft dabei sicher auch die interne Analyse, da ansonsten nach Bauchgefühl gearbeitet wird. Wir sehen Fehler und auch einige Korrekturen, nachdem die relevanten Themen auf den Tisch kommen. Andere Unternehmen versprechen vielleicht Dinge, die sie in der Praxis nicht einhalten. Sei es durch das Fehlverhalten von Führungskräften („selbstverantwortliches Arbeiten mit Entscheidungsfreiheit“ vs. Microcontrolling 😊) oder Projekten (Remote-Arbeit wird zu wöchentlicher Präsenz bei der Kund*in), die anders laufen als geplant. Auch hier kann man mit den Daten einer internen Messung nachjustieren oder auch die Anforderungen an die Rollen und Kandidat*innen ändern.
Interne Messungen sind die eine Seite, aber es gibt auch externe Portale, die helfen können, die Zufriedenheit der Bewerbenden und Mitarbeitenden im Blick zu behalten, wie Glassdoor oder Kununu. Die DAX-30-Konzerne kommen auf Seiten der Bewerber*innen hier allerdings nur auf einen durchschnittlichen Kununu-Score von 3,0. Wie realitätsnah ist dieses Bild deiner Meinung nach?
Spricht da nur der Frust aus den Kandidat*innen?
Orlando: Es kann auf Arbeitgeberbewertungsportalen immer mal zu Verzerrungen der echten Zufriedenheit kommen. Wir glauben, wie auch viele Bewerber*innen, dass die Bewertungen nah an der Realität sind. Immerhin sind diese ungeschönt und basieren auf individuellen Erfahrungen und Sichtweisen.
Die Bewertungen werden von manchen Unternehmen als unrealistisch oder zu negativ abgeschrieben. Die Motivation, eine Bewertung zu verfassen, wird nur den unzufriedenen, kündigenden Mitarbeiter*innen zugeschrieben. In Wirklichkeit bewerten natürlich auch die zufriedenen und die wechselnden Mitarbeiter*innen, die eine gute Zeit im Unternehmen hatten. Bei einer internen Analyse von 380.000 anonymen Bewertungen mit CompanyMood konnten wir sehen, dass knapp über 60% aller Bewertungen positiv waren. Das hat uns selbst überrascht, zeigt aber, dass die Motivation, Bewertungen zu verfassen, bei zufriedenen Mitarbeiter*innen sogar größer ist, als bei unzufriedenen. Das gleicht sich also aus.
Bei einem Vergleich der internen (durch CompanyMood gemessenen) und externen Zufriedenheitsbewertungen (bei kununu) der Branchen, hat sich die Befürchtung der Unternehmen nicht bewahrheitet. Der durch Kununu kalkulierte Branchendurchschnitt der Mitarbeiterzufriedenheit ist oft sehr nah am internen Wert, der durch den CompanyMood Happiness Score (0-100 Punkte) definiert wird. Jeweils mit den obligatorischen Ausnahmen nach oben und unten.
Man kann also davon ausgehen, dass an den Bewertungen was dran ist. Eine 3.0 Bewertung könnte man so deuten, dass durchaus Verbesserungspotential im Unternehmen vorhanden ist. In welchen Bereichen dies zutrifft, kann man evtl. schon an den Kommentaren zu den Bewertungen erkennen. Meist häuft sich die Nennung eines Themenbereichs (z.B. Wertschätzung, Arbeitsumgebung, Aufgabe/Tätigkeit, etc.).
Wie sollten Unternehmen reagieren, wenn der Kununu-Score ein negatives Bild von Bewerbungsprozess und Unternehmenskultur zeichnet?
Orlando: Man sollte die Aussagen, die dort getroffen werden, ernst nehmen und auch intern prüfen, ob eventuelle Schwächen vorhanden sind. Verbesserungspotenzial kann dort erkennbar sein. Da unterstützt auch die Anonymität der Verfasser*innen. Man sollte wirklich ins Unternehmen schauen und prüfen, ob die Kritik berechtigt ist und ob man sich als Unternehmen an der Stelle verändern kann.
Man sollte auch negative, wie positive Kommentare beantworten. Auf Kritik einzugehen ist besonders wichtig. Man kann auch mal Fehler zugestehen, das ist sympathisch. Zum Beispiel könnten sich Bewerber*innen über eine lange Reaktionszeit beschweren.
Dann ist eine Antwort: „Es tut uns leid, dass Sie diese Erfahrung machen mussten. Wir haben den internen Ablauf für Bewerbungen verändert, um zukünftig lange Wartezeiten zu verhindern. Wir hoffen, Sie können uns nochmal verzeihen. Alles Gute weiterhin!“, sicher sympathischer als keine Antwort.
Die Kommentare und Antworten haben einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie die Bewerber*innen die Unternehmenskultur wahrnehmen. Wenn ich als Interessent*in sehe, dass sich das Unternehmen kümmert, habe ich ein gutes Gefühl. Niemand ist perfekt – eine gute Fehlerkultur und den Willen zur Veränderung hat aber nicht jedes Unternehmen.
Wo du gerade schon die Unternehmenskultur ansprichst, können wir ja gleich zum nächsten Thema übergehen... Oft wird das Büro als der altbewährte “Kulturraum” angesehen. Nun sind Homeoffice und Remote Work mittlerweile in aller Munde – und werden in dem Rahmen auch von immer mehr Kandidat*innen gefordert.
Wie können Unternehmen deiner Meinung nach auch Mitarbeitenden im Homeoffice die Unternehmenskultur vermitteln?
Orlando: Ich hatte jahrelang das Glück, sehr flexibel arbeiten zu dürfen, bevor ich mit meinem Mitgründer Markus Schwed CompanyMood gegründet habe. Wir konnten daher recht ausführlich die Vor- und Nachteile von Homeoffice und Remote-Kulturen erleben. Auch was die Kulturbildung im Unternehmen angeht.
Kultur entsteht nicht unbedingt im Büro, sondern bei gemeinsamen Aktivitäten, einem Austausch, persönlichen Gesprächen. Das wird aufgrund der fehlenden Berührungspunkte wie Kaffeemaschine, Raucherterrasse, etc. etwas schwieriger, ist aber trotzdem gut möglich. Eventuell muss man dann „künstlich“ nachhelfen und (Zeit-)Räume dafür schaffen.
Dazu sind wöchentliche (auch virtuelle) Meetings optimal. Das kann ein Check-In am Morgen sein oder ein regelmäßiges Meeting während der Woche. Geburtstage und andere persönliche Events, kann man mit einer Aktion zelebrieren (Pakete nach Hause werden von vielen Mitarbeiter*innen sehr wertgeschätzt). Ab und an sorgt ein entsprechendes Team-Event (auch online) für den persönlichen Austausch. So konnte ich letztes Jahr an einer Online-Weinprobe mit Sommelier teilnehmen, das hat allen Spaß gemacht. Virtuelle Weihnachtsfeiern oder ähnliche Events können dabei auch helfen.
Das persönliche Gespräch mit der Führungskraft ist hier auch wichtig. So kann man z.B. alle zwei Wochen bei allen Teammitglieder*innen nachhören, wie es ihnen geht, was sie beschäftigt und wie man unterstützen kann. Das erhöht die Bindung, zeigt Wertschätzung und bringt auch viele Themen zutage, die man sonst nicht erkennt.
Wenn man große Teams hat, sind größere Events sicher wichtig, um alle an einem Ort zusammenzubringen und für ein bis drei Tage den Spirit des Unternehmens zu teilen. Die Investition lohnt sich, um die emotionale Bindung zum Unternehmen zu stärken und die Teammitglieder bereichsübergreifend zu vernetzten. Darauf sollte dann auch der Fokus liegen.
Es gibt also auf jeden Fall einige Maßnahmen, die Unternehmen durchsetzen können, um ihre Mitarbeitenden weiterhin an sich zu binden und von ihrer Kultur zu begeistern. Wenn wir einmal von der Mitarbeiterbindung zum Recruiting gehen:
Welchen Einfluss hat der steigende Wunsch nach Homeoffice-Optionen auf das digitale Recruiting?
Orlando: Das bedeutet, auch für CompanyMood, dass Mitarbeiter*innen von überall herkommen können. Wir erhalten sehr viele Bewerbungen aus dem Ausland. Wenn der Spirit und die Qualifikation passen, ist die Distanz kein Hindernis mehr. Es wird schwerer, sich persönlich zu treffen – trotzdem entsteht eine Kultur und man kennt sich nach 12 Monaten gut. Die Ansprache der Bewerber*innen findet bei uns dann meist in Deutsch und Englisch statt. Die Kanäle für das Recruiting suchen wir sehr speziell nach zu besetzender Position und achten auf Details, die eine Kandidat*in interessant machen. Bei Software-Entwicklung wäre das z.B. die Teilnahme an Projekten im Open–Source–Bereich. Dies zeigt, dass generell eine Passion für die Software-Entwicklung vorhanden ist. Insofern haben die Themen flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Gesundheit und Corporate Social Responsibility einen stärkeren Wert als vor der Pandemie – was sicherlich durch die Digitalisierung auch noch weiter zugenommen hat. Wer dies ignoriert, wird sicher das Nachsehen bei Bewerber*innen haben.
Das können wir auf jeden Fall unterstreichen. Remote Work ist nur ein Thema, das vor allem durch die Pandemie noch einmal verstärkt auf die Unternehmen zugekommen ist und sicherlich bei dem ein oder anderen Arbeitgeber zu einem Umdenken geführt hat.
In welchen anderen Bereichen hat Corona denn noch auf den HR-Bereich eingewirkt?
Orlando: Ganz klar die Faktoren Menschlichkeit und Anpassungsfähigkeit, also die mitarbeiterzentrierte Führung. Die Art und Weise, wie Unternehmen während der Pandemie agiert haben (Stichwort Krisenmanagement), hat sich stark auf die Bindung der Mitarbeiter*innen ausgewirkt. Vor allem die Kommunikation und Sicherheit, bzw. Perspektive in dieser unsicheren Lage hat die Meinung der Mitarbeiter*innen stark beeinflusst. Unternehmen, die hier klar und proaktiv kommuniziert haben und Priorität auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen gelegt haben, konnten die Mitarbeiterbindung erhöhen und ihre Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiter*innen spürbar machen. Mitarbeiter*innen waren regelrecht stolz darauf, wie ihre Arbeitgeber mit der Situation umgegangen sind.
Versäumnisse in der Digitalisierung wurden schonungslos offengelegt (Thema Homeoffice, Meetings und Kollaboration). Hier konnten auch Unternehmen, die evtl. nicht gut aufgestellt waren, durch schnelle Reaktionen und den Willen zur Änderung überzeugen. Andere wiederum sind gefühlt „planlos“ und stur vorgegangen, indem sie einfach alle weiter ins Büro beordert haben, weil digitale Prozesse fehlten.
Die Unternehmen, deren Mitarbeiter*innen nicht ins Homeoffice konnten (Produktion, Handel, Logistik, etc..), konnten mit durchdachten Maßnahmen und Sicherheit punkten. Insgesamt waren die Haltung und der Respekt gegenüber den Menschen für HR entscheidend. Wie man so schön sagt: „Wahre Freunde erkennt man in schwierigen Zeiten“. Dies gilt auch für die Beziehung und den Umgang mit Mitarbeiter*innen während der Pandemie.
Ausgehend aus diesen Erkenntnissen wünsche ich mir zu guter Letzt noch einen kleinen Rat aus deiner HR-Trickliste ! Was ist aus deiner Sicht das größte Handlungspotenzial für Unternehmen nach Corona?
Wohin muss der Weg jetzt gehen?
Orlando: Generell gilt es, den Mitarbeiter*innen eine größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die Pandemie fordert viele Mitarbeiter*innen und Führungskräfte psychisch heraus. Sei es im privaten wie im beruflichen Leben. Dies erfordert mehr Fingerspitzengefühl bei der Organisation täglicher Aufgaben. Unternehmen, die in der Pandemie z.B. trotz Möglichkeit zum Homeoffice auf Anwesenheit bestanden, haben einen Imageschaden erlitten. Daher ist es wichtiger denn je, persönliche Gespräche zu führen und Feedback zu erhalten. Neue Arbeitszeitmodelle nach Lebenslage und die Digitalisierung von Prozessen spielen sicher eine große Rolle.
Mein Tipp:
Entscheidungen sollten stärker die Individualität der Mitarbeiter*innen berücksichtigen. Nicht alle Mitarbeiter*innen möchten im Homeoffice arbeiten und nicht alle möchten wieder dauerhaft ins Büro. Unternehmen sollten jetzt flexibler sein und mehr auf die Ängste, Talente und Lebenssituationen der Beschäftigten eingehen. Hier ist Personalisierung ein großes Thema, die durch Feedback (digital und über persönliche Gespräche) und die Digitalisierung von Prozessen erleichtert wird.
Ich danke dir sehr für diese spannenden Einblicke und Praxistipps, Orlando! Sie zeigen auf jeden Fall, dass die Mitarbeiterbindung und -überzeugung in der aktuellen Zeit herausfordernd, aber nicht unmöglich ist. In dem Sinne wünschen wir euch weiterhin viel Erfolg mit eurer tollen Lösung!
Über unseren Interviewpartner:
Orlando Policicchio ist Geschäftsführer und Mitgründer von CompanyMood. Als Wirtschaftsinformatiker und Führungskraft beschäftigt er sich seit 2014 mit der Erfassung, Auswertung und Reaktion auf Mitarbeiterfeedback. CompanyMood betreut weltweit mehr als 100 Unternehmen, von Startups bis Konzernen, bei der Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung.
Was ist HRunited?
Digitalisierung, Fachkräftemangel, demographischer Wandel: HR steht derzeit vor vielen Hürden, die eine Personalabteilung nicht allein lösen kann. Wir wollen Unternehmen durch die Krise helfen. Und weil es nicht das EINE Tool dafür gibt, bieten wir nun verschiedenen HR-Expert*innen eine Plattform, um zum einen ihre Erfahrungen und Probleme, aber auch ihre Tipps und Tricks zu teilen.
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