Generation X, Y, Z: Im Recruiting spielt der Generationenbegriff (und die Ausrichtung der Maßnahmen auf diese) eine entscheidende Rolle. Erste Blicke fallen jetzt schon auf die Generation Alpha, die in einigen Jahren besonders für das Azubi-Marketing immer interessanter wird. Doch diese Zielgruppe ist gerade erst um die zehn Jahre alt – zu jung, um erste Aussagen treffen zu können, oder?
Michael: Hey HR, herzlichen Willkommen zu einer neuen Folge von „Wake up, HR!“. Ich freue mich heute ganz besonders, dass ich Julia Böttcher von der TK bei mir zu Gast habe.
Julia: Hallo Michael, vielen Dank für die Einladung.
Michael: Julia, du bist seit 12 Jahren als HR Marketing Managerin bei der Techniker Krankenkasse tätig. Dort bist du vor allem für den Aufbau und die strategische Weiterentwicklung des Personalmarketings in der Online-Kommunikation zuständig. Außerdem bist du auch als Mitglied im Netzwerk #FemaleHRexcellence aktiv und gibst nebenberuflich als Speakerin und Trainerin deine Erfahrungen im Bereich Online-Kommunikation und Social Recruiting weiter.
Julia: Ja, genau.
Julia: Da muss man sich zuerst darüber bewusst werden, was der Begriff Generation bedeutet. Generation meint eine große Gruppe von Menschen (=Kohorte), die als Altersgruppe in der Gesellschaft oder aufgrund einer historisch oder kulturell prägenden Erfahrung, eine zeitbezogene Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeiten aufweisen.

Dennoch kann die Betrachtung von Bedürfnissen und Anforderungen unterschiedlicher Generationen als kleiner Baustein für die Kommunikationsstrategie in Recruiting und Personalmarketing sinnvoll sein. Als Einstieg hinsichtlich der Mediennutzung ist die Arbeit mit Generationen hilfreich. Die Gefahr besteht jedoch in der Verallgemeinerung von Eigenschaften, Wünschen etc.
Letztendlich ersetzt dies nicht die detaillierte Auseinandersetzung mit der Zielgruppe in Form von Befragungen, Marktforschungen usw.
Julia: Richtig, es kann nur ein Ansatzpunkt sein. Ich kann nicht eine GenZ-Studie nehmen und die Inhalte eins zu eins auf mein Unternehmen übertragen und meine Social-Media-Strategie daran aufsetzen. Die Inhalte solcher Studien sollte man überprüfen, beispielsweise hinsichtlich unternehmenspolitscher Ziele. Da geht es dann in die unternehmensspezifische Auseinandersetzung, die eine allgemeine Studie gar nicht beantworten kann.
Michael: Deine Sichtweise finde ich immer spannend, weil du schon jetzt die Zukunft betrachtest. Während sich HR aktuell noch um die GenZ kümmert, blickst du schon auf die nächste Generation. Was würdest du sagen, weshalb die Generation Alpha heute bereits unsere Aufmerksamkeit erfordert?
Julia: Das hat unter anderem mit meiner Aufgabe im Personalmarketing bei der TK zu tun. Da suchen wir viele Schüler*innen, die sich für Ausbildungsberufe interessieren. Das heißt, das geht ab 16 Jahren los. Schaut man sich die Gen Alpha an, sind das diejenigen, die zwischen 2010 und 2025 geboren sind/werden. Die ersten sind also schon 13 Jahre jung und könnten theoretisch in drei Jahren ihre Ausbildung bei uns beginnen. Deshalb schau ich mir schon jetzt an, was auf uns zukommt. Welche Bedürfnisse bringen diese jungen Menschen mit – gerade im Bereich Mediennutzung. In dem Zusammenhang nutze ich verschiedene Quellen und Studien, die diese Zielgruppen untersuchen und Erkenntnisse darüber liefern, welche Kanäle je Generation besonders gefragt sind oder sein könnten.
Wir wissen ja, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird: Dass 2030 viele Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen werden und dann ca. 45% der Arbeitnehmer*innen aus GenZ und Gen Alpha bestehen werden. Und damit wir uns darauf vorbereiten können, blicke ich schon jetzt ein paar Schritte voraus, um dann agieren zu können.
So ein Prozess, bis man als Arbeitgeber mit der angepassten Ausrichtung glaubhaft wahrgenommen wird, braucht eben auch eine gewisse Zeit. Von daher finde ich deinen Vorlauf absolut richtig und wichtig.
Julia: Gerade in größeren Unternehmen ist das auf jeden Fall realistisch. Das Budget, welches dafür in die Hand genommen wird, soll auch sinnvoll eingesetzt werden, weshalb man hier Zeit in die Planung und Vorbereitung investieren muss. Deswegen ist es auch so wichtig, sich mit Trends zu beschäftigen, um diese dann auch mitgehen zu können.
Die Mediennutzung innerhalb von Social Media entwickelt sich so schnell weiter, dass Arbeitgeber hier nicht stehen bleiben dürfen, sondern langfristig und zukunftsorientiert arbeiten. Zu meinen, dass man sich jetzt erstmal mit der GenZ beschäftigt und das reicht dann erstmal, ist ein Trugschluss.
Um am Ball zu bleiben, lohnt es sich auch, die eigene Zielgruppe – also die Mitarbeiter*innen – mittels Befragungen einzubeziehen.
Also es braucht einfach die Zeit, um am Ende auch den Account auf dem jeweiligen Kanal eröffnet zu haben.
Du hast einen Punkt angesprochen, den ich gern nochmal vertiefen möchte. Die Veränderungsgeschwindigkeit ist zurecht sehr hoch. Vor zwei Jahren wusste keiner was BeReal ist oder vor fünf Jahren war TikTok noch kaum jemanden bekannt.
Wenn die Gen Alpha in drei Jahren in den Arbeitsmarkt eintritt, wissen wir nicht, ob TikTok dann noch relevant ist. Wie können Unternehmen zwischen dem Spannungsfeld „Prozessdauer“ und „Veränderungsgeschwindigkeit von Social Media“ trotzdem zu guten Erkenntnissen kommen, um eine nachhaltige Content-Strategie zu entwickeln?
Julia: Das ist wirklich gar nicht so einfach. Wenn man sich ansieht, wie sich der Content gestaltet, den die Generation Alpha angeblich gut findet, geht es stark in die Richtung Realtime Content. Schnelligkeit wird also nochmal wichtiger und herausfordernd. Denn man muss abwägen, ob dieser Trend der Echtzeitkommunikation bestehen bleibt und sich wieder ändert. Hier kann ich eine Trendanalyse empfehlen. Google Trends ist ein gutes Tool dafür. Die Nutzung ist einfach. Man gibt beispielsweise „BeReal“ ein und schaut sich das Suchvolumen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an. Hiermit kann man eine Tendenz bekommen, ob es sich nur um einen kurzen Hype handelt oder ob mehr dahintersteckt.

Es gibt Kanäle wie Clubhouse, die kommen und gehen. Deshalb empfehle ich bei Kanälen solche Trendanalysen von mindestens vier bis sechs Monaten zu betrachten. Bei TikTok zeigt sich ein kontinuierlicher Aufbau des Suchvolumens. Das wird eher ein Kanal sein, der wächst.
Generell muss man diese Entwicklungen immer wieder im Blick haben und kontrollieren. Die Studienbasis zur Generation Alpha ist aktuell noch sehr gering, weil die Zielgruppe eben noch so jung ist. Daher rate ich dazu, hier am Ball zu bleiben und die Entwicklungen regelmäßig zu analysieren.
Zielgruppenforschung ist und bleibt ein wichtiges Thema, welches umfassend von Unternehmen betrieben werden sollte. Wir bei der TK befragen zum Beispiel jährlich unsere Azubis, um herauszufinden, auf welchen Kanälen sie unterwegs sind oder welche Inhalte ihnen im Jobkontext noch fehlen. Somit holen wir uns Feedback von unserer internen Zielgruppe – derzeit noch von der Gen Z. Der externe Blick ist genauso relevant, also von außen auf die eigenen Kanäle blicken lassen.
Michael: Jetzt hast du bei der TK einen großen internen Pool, um dir diese Informationen zu beschaffen. Hast du einen Tipp für (kleinere) Unternehmen, die die interne Zielgruppe noch gar nicht bei sich im Unternehmen haben, aber diese erreichen wollen?
Julia: Da würde ich auf die externen Untersuchungen zurückgreifen, wie die ARD/ZDF-Onlinestudie oder die Studien des Sozialforschers Marc McCrindle zur Generation Z und Alpha und deren Mediennutzung. Statista liefert ebenfalls Insights zu Social Media und unterschiedlichen Zielgruppen. Da gibt es eine großen Datenbasis, die man nutzen kann und die in der Regel frei zur Verfügung steht, um ein Gefühl für die jeweiligen Zielgruppen zu bekommen.
Die muss ich als Unternehmen jetzt wie gesagt prüfen – also sind die Themen, Wünsche und Bedürfnisse mit unseren Werten vereinbar oder können wir diese versprechen, halten und umsetzen?
Auch wenn man die Zielgruppen bei sich im Unternehmen hat, aber nicht die finanziellen Mittel für eine umfassende Marktforschung, dann kann man zumindest in den Austausch gehen. Es muss nicht immer eine große Befragung sein. Es reicht, wenn man sich mit den vier oder fünf Auszubildenden an einen Tisch setzt und fragt, wie sie das finden, was man auf Social Media publiziert, ob die Formate passen usw. So erhält man wertvolles Feedback, um den Content zu verbessern. Die Mitarbeiter*innen freuen sich in der Regel auch, wenn ihre Meinung relevant ist – egal ob man die Auszubildenden oder Softwareentwickler*innen in einem kurzen Austausch befragt.
Was meinst du, wie sich die Content- und Kanal-Strategie in Zukunft anpassen muss?
Julia: Ich glaube, dass man viel flexibler agieren muss, als man es aktuell macht. Die meisten Kommunikationsstrategien für die Social-Media-Kanäle – zumindest in größeren Unternehmen – sind dann einmal festgesetzt und werden so schnell nicht wieder angefasst. Das muss sich einfach in Zukunft ändern, weil sich wie eben besprochen die Kommunikationsvorlieben der Zielgruppen stetig verändern.
Mal ein Beispiel von mir. Als ich bei der TK angefangen haben, haben wir Facebook für die Azubi-Kommunikation eingeführt. Seit einigen Jahren nutzen wir die Plattform vorrangig, um Berufserfahrene zu erreichen, weil sich die Zielgruppenstruktur des Kanals veränderte. Aktuell kann man über Facebook Schüler*innen nicht mehr ganz so stark erreichen, wie über andere Kanäle.

Julia, ich danke dir sehr für deine Einblicke in die Gen Alpha und dass du uns auf deine Reise in die TK mitgenommen hast.
Julia: Super, hat mich gefreut!
Hier finden Sie weitere nützliche Beiträge zu diesem Thema:
- Blogbeitrag: Personalmarketing, Manege frei!
- Blogbeitrag: Employer Branding ist mehr als nur ein Trend
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