Das Coronavirus hat sich zum Katalysator der Digitalisierung verwandelt. Kritik und Mängel, an dem teils noch sehr starken analogen System, zeigen deutlich, dass die Arbeitswelt 4.0 nun schneller vorangetrieben werden muss. Doch aus der Not kann eine Tugend werden, wenn HR jetzt die richtigen Hebel in Bewegung setzt.
Nach der Krise ist vor der Krise. Eine Binsenweisheit, die wohl jede*r schon mal gehört hat. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt nach passenden Talenten zu suchen, bevor sich die Lage normalisiert und Konkurrenz dergleichen tut. Die Personalsuche richtet sich nun vor allem an digitale Berufsgruppen, um einerseits den wirtschaftlichen Aufschwung den Unternehmen erfahren, wie der Onlinehandel, weiterhin auszubauen. Andererseits gilt es auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen einzugehen, um die Mitarbeiterbindung in schwierigen Zeiten zu stärken und diese nicht zu verlieren. Das Nutzen von Arbeits-Laptops, Homeoffice sowie Tools, wie Slack oder MS Teams, sollten zur Selbstverständlichkeit werden.
Corona verändert die Anforderungen der Personalgewinnung
Aufgrund der Krisen-Situation erwarten potenzielle Kandidat*innen andere „Company-Benefits“ und passen ihre Einstellung zum Arbeitsverständnis an den aktuellen Geschehnissen an. Schon vor dem Ausnahmezustand war es kein Geheimnis, dass die verschiedenen Generationstypen, die sich auf dem Arbeitsmarkt tummeln, voneinander unterscheiden. Die Gewinnung und die Mitarbeiterbindung von erfahrenen Fachkräften, wie den Babyboomern, weicht deutlich von den Methoden für Digital Natives ab. Faktoren wie Arbeitssicherheit, digitale Arbeitsweisen und Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben rücken aufgrund der derzeitigen Krisensituation in ein neues Licht, werden hinterfragt und neu bewertet.
Differenzen und Parallelen der Anforderungen an HR von den Babyboomern bis zur Generation Z:
Die Herausforderung für das Human Ressource Management liegt darin, einen Spagat zwischen den neuen Anforderungen zu schaffen, ohne eine Generation zu vernachlässigen. Es geht darum allen Arbeitnehmer*innen die Chancen im Job zu ermöglichen, die sie brauchen. So nimmt das Generationen-Management im HRM einen wesentlichen Part ein. Es sind Strukturen notwendig, die den Bedürfnissen aller entgegenkommen – von Vorgaben bis hin zu Freiräumen:
Die Generation B (Gen B), auch Babyboomer genannt, legen seit jeher Wert auf Jobsicherheit und Erfolg. Unbefristete Arbeitsverträge oder lange Probezeit stellen ein enormes Risiko dar, welches sie nicht bereit sind einzugehen. Die erfahrene Generation hat sich ihre jetzige (Führungs-) Position durch „harte Arbeit“ erkämpft. Für sie ist Workaholic die Norm. In der Krisenzeit wollen sie ihren Job unbedingt halten, da sie sich ohnehin schwer vom gewohnten Arbeitsumfeld trennen (wollen?). Auch wenn sie auf dem Arbeitsmarkt einen immer geringeren Anteil ausmachen, ist ihr Trumpf ihre kostbare Berufserfahrung. By the way: 15 % der amtierenden DAX-Vorstandsmitglieder gehören der Gen B an. Ihren Erfahrungsschatz und langjährige Expertise zu verlieren, birgt ein hohes Risiko für die meisten Unternehmen.
Der Generation X (Gen X), auch als Generation VW Golf bekannt, legen besonders großen Wert auf eine ausgewogenen Work-Life-Balance. Die aktuelle Situation hat gezeigt, dass arbeiten und die parallele Kinderbetreuung nicht immer leicht zu kombinieren sind. Auch sie wollen weiter beruflich vorankommen, aber stellen die Familie vor die berufliche Weiterentwicklung, wenn dies nicht zu vereinen ist. Autonomie ist wesentlich für ihre (Arbeits-) Zufriedenheit.
Für Gen B und Gen X sind vorgegebene Richtlinien relevant, die einen Rahmen für ihren Arbeitsalltag bilden. Beruflich sind die Generationen stark engagiert und haben Karriere gemacht. Trotz Vorgaben möchten sie ihren Berufsalltag mitbestimmen und erwarten seitens des Unternehmens Flexibilität. Neuen beruflichen Herausforderungen jenseits der gewohnten Branche stehen die erfahrenen Jahrgänge eher skeptisch gegenüber. Für sie zählen Aufstiegschancen statt experimentierfreudige Jobpositionen.
Die Generation Y (Gen Y), die Millennials, machen insgesamt 30 % des Arbeitsmarktes aus. Ihr Wunsch ist es, einer Arbeit nachzukommen, mit deren Aufgaben sie etwas Sinnvolles bewirken können. Stupide Tätigkeiten, die in festen Strukturen eingebettet sind, kommen nicht in Frage. Agilität und Flexibilität bei der Arbeits- und Aufgabengestaltung spielen der Gen Y besonders in die Hände. Karriere und Führungspositionen stehen dem Wunsch nach Teamwork nach. Gen Y hat das Ziel ein bestmöglichen Work-Fit zu erreichen. Heißt: die beruflichen Ziele sollten im Einklang mit privaten und persönlichen Bedürfnissen stehen. Man ist bereit viel zu tun, wenn es dem eigenen Interesse nützt.
Die Generation Z (Gen Z), in den Medien als Digital Natives betitelt, sind vom Krisenmanagement relativ unbeeindruckt. Sie sind in unsicheren Zeiten aufgewachsen und somit turbulente Zeiten gewöhnt. In Ihren CVs ist ein häufiger Arbeitgeberwechsel (bis zu 15 x in ihrer beruflichen Laufbahn) normal. Sie wollen sich stets neu erfinden und sind bereit auch gerne in branchenfremden Gebieten Neues auszuprobieren. Dafür ist die Generation auch eher gewillt für einen neuen Job den Wohnort zu wechseln, als es die Älteren sind. Eine intensive Bindung und Identifizierung zum Unternehmen gehören nicht zu ihren Eigenschaften. Dafür ist die Sinnhaftigkeit der Aufgabe umso entscheidender.
Gen Y und Gen Z fordern verstärkt Freiräume und Eigenverantwortung. Für sie sind Lücken im Lebenslauf durch Sabbaticals oder Gap Years Zeichen der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und gehören mit dazu. Selbstorganisation und -verwirklichung spielen für sie eine weitaus größere Bedeutung als für andere Generationen. Fühlen sie sich im Team nicht gut aufgehoben und sehen keinen Sinn in ihrer Aufgabe, steigt deren Wechselwilligkeit rasant. Sie sind offen gegenüber „New Jobs“ und sehen diese als reizvolle Herausforderung.
Die gemeinsame Erkenntnis ist, dass sich die bestehenden generationstypischen Merkmale durch die Krise verstärken. Das heißt: Aspekte, wie Flexibilität der Arbeitsgestaltung, Sinnhaftigkeit der Arbeitsaufgabe und Arbeitsplatzsicherheit werden noch mehr Bedeutung zugeschrieben als zuvor. Werden diese Kriterien beim nächsten Job nicht angeboten, sagt der oder die Kandidat*in höchstwahrscheinlich ab. Selbstverständlich ist die Gewichtung der Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Generationen verschieden und sollte auf alle Recruiting-Maßnahmen zielgruppenspezifischen angepasst werden. Auch die Wahrnehmung der Arbeitgebermarke wird durch das Verhalten während des Ausnahmezustandes nachwirkend Folgen für das Recruitment mit sich bringen. Generationen XYZ „bestrafen“ unsolidarische Handlungen und „belohnen“ innovative Ideen von Unternehmen. Kurzum: die Kompromissbereitschaft der Kandidat*innen gegenüber den Angeboten wird sinken.
Unsere Learnings
- Covid-19 wird zum Katalysator der New Work-Welle.
- Generationsabhängige Interessen wurden durch die Corona-Krise verstärkt.
- Flexibilität, Sinnhaftigkeit der Aufgabe und Arbeitsplatzsicherheit sind für Personalgewinnung und -bindung entscheidend.
- Auch das Verhalten des Unternehmens während der Krise beeinflusst die Arbeitgebermarke sowie Recruiting und Mitarbeiterbindung nachträglich.
- Recruiting muss an die neuen Anforderungen von Babyboomern bis Generation Z ausgerichten werden.
In Teil 1 unseres Artikels sprechen wir darüber, welche Sinnfragen sich Mitarbeiter*innen und Kandidat*innen durch die Corona-Krise stellen und welche Auswirkungen diese auf Recruitment und Mitarbeiterbindung haben.