Ein Virus hat die gesamte Welt in den Winterschlaf katapultiert – und das im Frühling! Der gezwungene wirtschaftliche und gesellschaftliche Stillstand führt dazu, dass neue Anforderungen an das Recruiting gestellt werden.
Die letzten Wochen und Monate wurden von unzähligen Diskussionen über die Stärken und Schwächen der Arbeitswelt begleitet. Corona hat diese nun offensichtlich freigelegt. Einige Arbeitnehmer*innen konnten ihre Arbeit problemlos im Homeoffice ausüben – für sie war das in der Regel auch nicht das erste Mal. Andere stellte die Situation vor bislang verborgene technische und psychische Hürden. Die Verlierer und Gewinner eint jedoch, dass die weltweite Pandemie etwas ins Rollen brachte, woran so manches Changemanagement bereits scheiterte – nämlich Veränderung und Neubewertung des Ist-Zustandes.
Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass Krisen meist einen Paradigmenwechsel auslösen.
In der Krise zeigt sich bekanntlich der Charakter des Unternehmens. Und somit auch die gelebte Kultur sowie deren Stärken und Schwächen vor allem in außergewöhnlichen Situationen. Nicht jeder Arbeitgeber meistert den Ausnahmezustand souverän. Und so unterschiedlich der Umgang der Unternehmen mit der Corona-Lage ist, so stellen sich auch Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aktuell zuhause arbeiten, verschiedene Sinnfragen:
- Ist meine Firma wirklich so innovativ und flexibel, wie sie es nach außen demonstriert?
- Wie verständnisvoll und solidarisch sind meine Vorgesetzt*innen, wenn ich plötzlich zwischen Arbeit und Kinderbetreuung hin und her switchen muss?
- Ziehen jetzt alle an einem Strang oder ist sich jeder selbst der Nächste?
- Werden meine Anstrengungen honoriert und ich wertgeschätzt?
- Werden Entscheidungen gegenüber den Mitarbeiter*innen offen und klar kommuniziert?
Das Bild einer Firma, welches sich Interne und Externe über ein Unternehmen bilden, wird gerade durch das Verhalten in solchen Zeiten geprägt. Es liegt in der Verantwortung der Führungsebenen dieses positiv zu beeinflussen, indem sie Zuversicht und Vertrauen vermitteln und gemeinsam im Team Schritte in die digitale Arbeitswelt einleiten. Ansonsten kann es passieren, dass Mitarbeitende ihren Arbeitgeber neu bewerten und sich nach neuen beruflichen Perspektiven umschauen.
Für HR ist dabei besonders wichtig, aktuelle und künftige Mitarbeitende, die gerade alles neu bewerten, zu verstehen und verstärkt auf deren Bedürfnisse einzugehen. Niemand möchte auf einen VPN-Zugang oder gar einem eigenen Laptop wochenlang warten müssen – eher kündigt man wieder. Flexible Arbeitszeiten und ein Remote–Work-Business-Model sind für die Generationen XYZ so ausschlaggebend beim Jobwechsel, wie nie zuvor. Welche Anforderungen und Interessen der jeweiligen Generationen sich aufgrund der jüngsten Geschehnisse noch angepasst haben, stellen wir im zweiten Teil des Artikels vor.
Personalgewinnung – auch in chaotischen Zeiten
Und schließlich kommt nicht alles in der HR-Welt zum Erliegen. Talente, die vor dem Coronavirus gebraucht wurden, werden ihre Notwendigkeit nicht verlieren. Neben dem ohnehin immensen Personalmangel im Gesundheitswesen, sind vor allem digitale Stars, wie Online-Marketeers, Data Analysts und KI-Profis, auch nach Covid-19 gefragter denn je. Füße stillhalten und Hiring Freeze führen da nur zur Verschlechterung, der ohnehin schon angespannten wirtschaftlichen Situation. Die Chance liegt darin Vollgas zu geben, alle Kräfte des Recruitings und Personalmarketings zu mobilisieren, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Personalerinnen und Personaler wissen, dass bis zur Einstellung neuer Teammitglieder teils Monate vergehen. Daher sollte zum einen weiter rekrutiert und die Zeit genutzt werden, um potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten zu werben.
Zum anderen sollten aber auch verstärkt Schritte zur Mitarbeiterbindung gegangen werden, um eine ungewollt hohe Fluktuation zu vermeiden. Außerdem bietet die derzeitige Situation die Möglichkeit, die bislang eingesetzten Recruiting- und Personalmarketing-Maßnahmen und Tools zu evaluieren: Welche haben Erfolge erzielt und welche, haben die Erwartungen nicht erfüllt? Anhand dessen sollten gewinnbringende Maßnahmen und Tools intensiver für die Personalbeschaffung genutzt werden. Allen voran sind die privaten und beruflichen sozialen Netzwerke aktuell eine gute Anlaufstelle, um potenzielle Kandidat*innen zu erreichen.
Trotz der angespannten Lage ist es wichtig, dass HR weiterhin das tut, was es am besten kann: nämlich die passenden Kandidatinnen und Kandidaten für die verschiedensten Vakanzen finden. Auch wenn aktuell keine persönlichen Bewerbungsgespräche vor Ort stattfinden können, gibt es Alternativen und Wege potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. Egal, ob der Talentpool aufgestockt oder ein erstes Kennenlernen per Skype organisiert wird. Auch die Reflexion bestehender Recruiting-Methoden sowie der generellen Vorgehensweise kann Innovationen freisetzen, um bei der Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung an Stärke zu gewinnen.