Candidate First, der Mensch im Mittelpunkt. Jeder kennt es, jeder liest es in verschiedenen Stellenanzeigen und Karriereseiten. Das Problem: In der Praxis findet sich die Aussage oft nicht wieder. Was “Candidate Centricity” praktisch heißt und warum Unternehmen handeln müssen und nicht mehr nur reden können – ein Einblick.
Die Mitarbeitenden im Mittelpunkt?
Jeder kennt sie: Sätze wie “Unsere Mitarbeitenden stehen bei uns im Mittelpunkt!” oder “Die Menschen sind unser wichtiges Kapital!” auf Karriereseiten, Stellenanzeigen und Job-Ads. Die Message ist natürlich richtig und wichtig – trotzdem sorgt sie mittlerweile auch oft für ein Augenrollen. Was gut klingt, wird nämlich längst nicht überall umgesetzt. Ein Blick auf den Recruiting-Prozess bestätigt die gute, alte Buzzword-Regel: Theoretisch klingt es gut, praktisch macht es aber niemand so.
Und wie soll es praktisch gemacht werden?
Es ist keine Wahnsinnserkenntnis mehr, dass viele Prinzipien und Konzepte aus Marketing und Vertrieb wunderbar für HR angewandt werden können und auch funktionieren! Dementsprechend ist es keine Überraschung, dass die weltweit bekannte “Customer First”-Theorie von Jeff Bezos einwandfrei in “Candidate First” übersetzt werden kann.
Ein kurzer Einblick in Customer First: Amazon hat es unter anderem deswegen zu so einem großen Erfolg geschafft, weil der Konzern penibel auf Kundenwünsche und -bedürfnisse geachtet und sie in seinem Business Model realisiert hat. So hat Jeff Bezos in verschiedenen Meetings einen leeren Stuhl an den Tisch gestellt, um alle Anwesenden an “die wichtigste Person im Raum” zu erinnern – die Kund*in. Mit Erfolg, denn wenn Amazon nicht erkannt hätte, dass die Kund*innen an den verschiedensten Produkten interessiert sind, würde es im Shop immer noch nur Bücher, Musik und Filme zu kaufen geben.
Firmen, die “Unsere Mitarbeitenden stehen bei uns im Mittelpunkt” auf ihrer Karriereseite ausrufen, nutzen theoretisch genau diese “Customer First”-Theorie für sich. Aber die Frage, die wir uns hier stellen, ist: Wo ist in Recruiting-Strategie-Meetings der Stuhl, der an die Talente erinnern soll?
Was wirklich hinter “Candidate First” steckt.
Candidate First (oder auch Candidate Centricity) meint, dass die Kandidat*innen wirklich im Vordergrund aller Recruiting-Aktivitäten stehen. HR-Verantwortliche können also nicht einfach nur behaupten, dass es so ist, sondern müssen die Candidate Centricity konkret im Recruiting umsetzen. Das heißt, die Bedürfnisse und Wünsche der Talente entlang der gesamten Candidate Journey müssen den Bewerbungsprozess bestimmen – wo wir auch schon wieder bei dem leeren Stuhl wären.
“Echte” Vertreter*innen dieses Ansatzes bieten also nicht nur eine Liste an Stellenanzeigen auf ihrer Karriereseite, weil sie “es schon immer so gemacht haben” und es “bisher ja auch funktioniert hat”. Die Frage, die bei allen Aktivitäten im Vordergrund stehen muss, ist: Was wünschen sich meine Talente? Das Ziel: Den Kandidat*innen eine rundum positive Experience – vom ersten Kontakt bis zum Onboarding – zu schaffen.
Das heißt im Klartext:
Keine gute Candidate Experience
Keine Candidate Centricity
Bei vielen Unternehmen reichen schon folgende drei Fragen aus, um festzustellen, ob die Talente wirklich im Mittelpunkt stehen (Spoiler: Oft sind hier noch Baustellen erkennbar.):
- Ist die Karriereseite einfach, intuitiv und mit einem Klick von der Homepage aus erreichbar?
- Ist die Stellenanzeige auf die jeweilige Candidate Persona abgestimmt und werden genau die Inhalte ausführlich beschrieben, für die sich die Talente interessieren?
- Bekommen die Bewerber*innen eine schnelle Rückmeldung innerhalb von ein bis zwei Wochen auf ihre Bewerbung – und erhalten sie einen Überblick über den Ablauf des Bewerbungsverfahrens?
Wir könnten noch mindestens zwanzig weitere Fragen zu dem Thema stellen. Einen Überblick über die Best Practices entlang der Candidate Journey können Sie hier lesen >> Candidate Journey: So gelingt der optimale Bewerbungsprozess.
Candidate Centricity raus aus der Stellenanzeige und rein in das Mindset!
Wir sehen: Die graue Theorie ist da und Candidate Centricity und Experience sind längst keine Randthemen mehr. Ziel ist es, dass Ansätze wie diese nicht nur in aller Munde, sondern vor allem in aller TATEN sind. So sind beispielsweise Themen wie Digitalisierung und KI aktuell höchstrelevant, weil sie die HR-Arbeit erleichtern. Aber auch hier müssen sich HR Manager*innen fragen: Wie können unsere Bewerber*innen davon profitieren? Wie können wir die gewonnene Zeit nutzen (die uns jetzt beispielsweise in der Administration durch digitalisierte Lösungen abgenommen wird), um unseren Talenten ein besseres Erlebnis zu schaffen? Und gleichzeitig – was bringt unsere schicke KI, die beispielsweise die Qualität der Bewerbungen misst, wenn die Bewerbungsmaske unfreundlich ist?
“Die Menschen sind unser wichtigstes Kapital” können viele behaupten. Abgrenzen können sich aber nur die Unternehmen, die es auch mit Taten untermauern und so beispielsweise…
- Den Talenten eine konkrete Anlaufstelle (á eine reale Ansprechperson statt einer info@- oder jobs@-Mailadresse) für Fragen und Weiteres zur Bewerbung ausweisen,
- Den Weg zum passenden Job so einfach wie möglich machen: Muss die Kandidat*in sich durch 150 offene Stellen scrollen (…was keiner machen wird) oder kann sie nach Bereich, Vollzeit/Teilzeit, Berufslevel, Arbeitsort etc. filtern?
- Den Bewerber*innen im Falle einer Absage eine personalisierte E-Mail mit den Gründen schicken. Schließlich darf nicht vergessen werden: Auch die Absage ist Teil der Candidate Experience. Wer hier seinen Kandidat*innen ein ehrliches Feedback liefert, sorgt für einen positiven Abschluss – was sich wiederum auf das Employer Branding und die Chance auswirkt, weiterempfohlen zu werden. Gleichzeitig steigt durch das Feedback die Wahrscheinlichkeit, dass die Talente in den Talentpool aufgenommen werden wollen.
Oder, wie Unisite es passend beschreibt:

Unsere Learnings
- “Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt” klingt gut, ist aber nur ein Alleinstellungskriterium, wenn sich das auch entlang der gesamten Candidate Journey widerspiegelt.
- Candidate Centricity bzw. Candidate First bedeutet, dass Unternehmen die Wünsche und Bedürfnisse der Talente in jedem Schritt der Candidate Journey (vom ersten Kontakt bis zum Onboarding) in den Vordergrund stellen.
- Unternehmen können beispielsweise den Bewerbungsprozess selbst durchlaufen, Umfragen mit den Talenten durchführen oder Candidate Personas erstellen, um die Pain Points und Wünsche zu identifizieren.
Hier finden Sie weitere nützliche Beiträge zu diesem Thema:
- Candidate Journey: So gelingt der optimale Bewerbungsprozess
- Experteninterview mit Eva Stock: Recruiting ist eine Frage der Einstellung
- People and Culture: Die neue Ausrichtung im Personalwesen?
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