Employer Branding schwebt wie ein Damoklesschwert über den Arbeitgebern. Viele wissen um die Relevanz der Arbeitgebermarke und was gelungenes, nachhaltiges Employer Branding für die unternehmensweiten Prozesse bewirken kann. Und dennoch hört man eher, dass sich Unternehmen erst noch damit beschäftigen müssen, statt schon aktiv daran zu arbeiten. Deshalb stellen wir uns der Frage: Wie gelingt nachhaltiges Employer Branding in der Praxis?
Im Interview mit Miriam Duma
Michael: Hallo und herzlich Willkommen zu einem weiteren Experteninterview aus unserer Reihe „Wake up, HR!“. Ich freue mich sehr, dass ich heute Miriam Duma zu Gast habe. Miriam, du bist Senior Employer Branding Specialist bei Merkle, einer Full-Service-Agentur. Und du bist verantwortlich für das Employer Branding von Merkle selbst und damit eine echte Expertin auf dem Gebiet – nicht zuletzt wegen deiner langjährigen Erfahrung in dem Feld bei verschiedenen Unternehmen wie Otto, Hermes und Unilever. Deshalb freue ich mich sehr, was du uns und unseren Hörer*innen heute zum Employer Branding erzählen wirst.
Wir haben uns an eurem unglaublich coolen Stand auf der DMEXCO kennengelernt, an dem ihr Arbeitgebermarketing für Unilever gemacht habt. Wie kam es dazu, dass ihr euch als Arbeitgeber auf einer Marketingmesse präsentiert habt?
Miriam: Guten Morgen. Der Ansatz kam eigentlich dadurch, dass wir über Langnese, eine Brand von uns, auf der die DMEXCO vertreten waren. Als ich das zufällig im Büro erfahren habe, dachte ich mir, dass wir uns da auch arbeitgeberseitig einhaken können. Das Thema bei Unilever ist nämlich, dass die Brands den meisten sehr geläufig sind, aber viele die Verbindung zu Unilever nicht kennen – auch wenn viele das Unternehmen kennen. Und so ist die Idee entstanden, den Messestand gemeinsam als Großkonzern groß aufzuziehen. Denn auf der Messe erreichen wir genau die Personen, die in den Felder arbeiten, in denen Unilever auch Jobs anzubieten hat.
Michael: Ich fand es mega cool, dass ihr sozusagen die Marketingmesse gekapert habt, um sie aus Employer-Branding-Sicht zu nutzen, und musste dich direkt ansprechen. Das Thema, was wir uns heute ausgesucht haben, ist nachhaltiges oder wirkungsvolles Employer Branding, was aktuell bei allen Arbeitgebern wie ein Damoklesschwert über einen schwebt. Denn alle wissen jetzt, dass Employer Branding wichtig ist und man etwas machen muss, weil man sonst im Arbeitnehmermarkt keine Chance mehr hat. Aber in der Praxis wissen viele nicht, wo sie anfangen sollen. Deswegen ist meine erste Frage an dich: Denkst du, dass das ist gerade ein Prioritäten- bzw. ein Trendthema, weil jetzt gerade die Bewerbung nicht eintrudeln und man jetzt denkt, dass man etwas machen muss?
Miriam: Ich glaube, Employer Branding ist auf gar keinen Fall ein Trendthema. Denn wer jetzt nicht hierein investiert, der wird auf Dauer auf der Strecke bleiben. Und das fängt da an, dass wir schon lange aus diesem Modus raus sind, dass der Arbeitgeber am Arbeitsmarkt am längeren Hebel sitzt.
Arbeitnehmer*innen bestimmen den Markt, sind extrem anspruchsvoll, mit der GenZ sind wir momentan alle konfrontiert – um ein Beispiel zu nennen – aber dem müssen sich die Arbeitgeber anpassen. Ich glaube Employer Branding sollte ganz hoch auf der jährlichen Agenda momentan angesetzt und auch wirklich behandelt werden.
Was das Problem daran ist, warum sich viele dann doch nicht richtig mit dem Thema beschäftigen, ist das Employer Branding im ersten Moment nicht als direkter Erfolgsfaktor auf das Business einzahlt, sondern sich erst auf längere Sicht etabliert und sich dann später auszahlt. Also das ganze Image muss erst geschaffen werden.
Dementsprechend habe ich das Gefühl, dass das Thema depriorisiert wird. Es ist natürlich häufig ein Budgetthema, weil Budget, das nicht direkt einzahlt, schlechter intern zu verkaufen ist. Aber Arbeitgeber, die jetzt investieren und eine gute Strategie haben, werden bald den Unterschied sehen. Ein Trend ist es auf gar keinen Fall, weil sich viele große Unternehmen und Konzerne schon seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen. Seit zehn Jahren ist das Thema Employer Branding auf jeden Fall schon geläufig und es wird höchste Zeit das Unternehmen, die auch Recruiting-Bedarf hat, dort mit einsteigen.
Ich habe eine Zahl gefunden, die ich gar nicht glauben konnte: Die 500 weltweit wichtigsten oder attraktivsten Brands sagen, dass Employer Branding für sie kritisch zum Überleben ist. Und wenn das die 500 attraktivsten schon sagen, was sollten dann die “nicht attraktiven” Unternehmen denken? Was würdest du sagen, welche Grundlage brauchen vor allem kleine Unternehmen, die mit Employer Branding starten wollen?

Miriam: Das Wichtigste sind die Grundlagen. Für mich sind drei Punkte vorab ganz wichtig:
- Zuerst eine Audit und Analyse zu machen, das heißt zu schauen, in welcher Branche bewege ich mich, wer sind überhaupt meine Zielgruppen, wen will ich erreichen, wen muss ich einstellen usw., um eine Benchmark-Analyse zu starten.
- Der zweite Schritt, dem Herzstück vom Employer Branding, ist eine Employee Value Proposition zu gestalten. Das heißt, wir müssen folgende Aussage klar definieren: Was macht uns einzigartig als Arbeitgeber, welches Versprechen geben wir unseren jetzigen und zukünftigen Mitarbeitenden, wie unterscheiden wir uns zu den anderen Unternehmen, was für Benefits haben wir, was für eine Kultur haben wir bei uns.

- Als dritter Schritt ist es wichtig, innerhalb des Unternehmens die verschiedenen Regionen oder Divisions abzuklopfen, ob sich die Mitarbeitenden auch mit diesen Messages und dieser EVP identifizieren können. Denn es bringt nichts, wenn man tolle Idee auf einen Zettel schreibt, aber die Realität eine andere ist. Deswegen sollten die Messages intern nochmal gespiegelt werden sowie gut verständlich, realistisch und authentisch sein.
Wenn die EVP dann steht, ist es wichtig zu überlegen, wie es weitergeht. Mit welcher Kommunikationsstrategie setze ich die EVP um und wie platziere ich die Messages, um auch meine Zielgruppe zu erreichen. Hierbei lohnt sich eine Analyse der einzelnen Kanäle (Channel Effectiveness). Natürlich kann man in alle Kanäle investieren. Um die Zielgruppe aber zielgerichteter zu erreichen, helfen Candidate Persona. So erkennt man, wo sich die Kandidat*innen tatsächlich bewegen, kennt ihre Interessen, Vorlieben und ihre Userverhalten usw. Hier gibt es natürlich auch Unterschiede je nach Zielgruppe, Seniorität etc.
Mein Tipp ist es Zeit in die Analyse und Strategie zu investieren und nicht einfach kopflos losrennen.
Michael: Das Gute an deinen genannten Punkten ist auch, dass man dazu erstmal kein extra Budget oder Freigaben braucht. Was aber auch deutlich wird, ist, dass es dafür das ganze Team braucht (GF, Fachabteilungen etc.).
Wenn die EVP und die Planungen stehen, gibt es aus deinen Erfahrungen heraus einen Mix, der für ein gewisses “Grundrauschen” im Employer Branding sorgt?
Miriam: Ja, es ist extrem wichtig Employer Branding intern und extern gleichmäßig zu bespielen. Denn die aktuellen Mitarbeitenden haben schon einen enormen Beitrag geleistet (an Umfragen teilgenommen, generelles Feedback gegeben usw.). Sie muss man wertschätzen und ihnen zeigen, dass sie genauso wichtig sind, wie künftige Teammitglieder.
Mit unterjährigen Mitarbeiterumfragen kann man beispielsweise die aktuelle Situation besser abbilden und Handlungsempfehlungen ableiten. Die Etablierung von Referral-Programmen finde ich als Multiplikator genauso wichtig. Wer kann noch besser Werbung für einen machen, wie jemand, der schon mit an Board ist und vom Unternehmen aus erster Hand berichtet.
Alles zielt darauf ab, dass die Mitarbeitenden mit in die Entscheidungsprozess integriert werden. Das sind Punkte, um die Recognition hochzuhalten.
Michael: Auf Ganzheitlichkeit zu setzen, ist ein gutes Stichwort. Denn so, wie wir das Wahrnehmen, wird Employer Branding häufig als Stützrad oder Booster für das Recruiting verstanden. Also ausgehend vom Recruiting-Ansatz mit dem Ziel Bewerbungen zu generieren. Um weiterhin Bewerbungen zu generieren, reichen die bisherigen Maßnahmen nicht mehr aus, weshalb man „jetzt auch noch Employer Branding braucht“ – quasi als Zusatz. So ist zumindest häufig unsere Wahrnehmung im Kontakt mit HR.
Anhand deiner Ausführungen beginnt Employer Branding jedoch zuerst im Inneren und nicht gleich mit (externen) Maßnahmen.
Miriam: Genau, das wird häufig missverstanden. Bewerbungen zu generieren, um Stellen zu besetzen, ist definitiv ein wichtiger Punkt. Doch dabei dürfen die Mitarbeitenden nicht außer Acht gelassen werden. Deswegen würde ich immer intern mit Employer Branding anfangen und erst dann auf externe Maßnahmen ausweiten.

Bei den Maßnahmen sind Mediakampagnen essenziell, um Brand Awareness zu generieren – auch wenn das eine Budgetfrage ist. Denn die Messages müssen nach draußen getragen werden und die Zielgruppen erreichen, für die sie bestimmt sind.
Eine weitere Maßnahme, die von intern nach extern übertragen werden kann, ist die Positionierung von Speakern. Also das eigene Mitarbeitende beispielsweise auf Messen berichten, an welchen Projekten und Aufgaben das Unternehmen täglich arbeitet. Das interessiert schließlich die Zielgruppen – also was erwartet mich im Unternehmen konrekt.
Office Day oder After Work Events sind ebenfalls Maßnahmen, die einen weiteren persönlichen Kontakt zu den Zielgruppen schaffen. Für Hochschulmarketing ist das unter anderem super spannend. Es geht einfach darum, in einer entspannten Atmosphäre gute Kontakte aufzubauen, potenziellen Kandidat*innen die Unternehmenskultur zu zeigen und sich allgemein als Arbeitgeber zu präsentieren.
Michael: Perfekt, das bringt uns gleich zur nächsten Frage. Angenommen ein kleineres Unternehmen hat Budget für eine Kampagne freigegeben bekommen. Ist die Kampagne gelaufen, kommt die Frage nach dem Erfolg auf oder einfacher gesagt „Was hat es gebracht?“. Wie gehst du denn damit um? Was ist beim Controlling von Employer-Branding-Maßnahmen wichtig?
Miriam: Ein sehr wichtiger Punkt und sicherlich auch einer, mit dem sich die meisten sehr schwertun. Bei meinen unterschiedlichen Positionen ist mir bewusst geworden, dass das Employer-Branding-Team mit HR und Talent Acquisition eng zusammenarbeiten muss. Denn die KPIs, die beispielsweise im HR- oder TA-Bereich getrackt werden, hängen immer mit Employer Branding zusammen und sollten dementsprechend zusammen evaluiert werden.
Beispielsweise kann sich der Webseiten-Traffic aufbauen, weil extern eine Kampagne ausgespielt wurde. Auch alles um die Candidate Experience herum hängt mit Employer Branding zusammen, wie die Time-to-Hire, Cost-per-Lead oder Cost-per-Application – die sollte man gemeinsam mit HR tracken und analysieren. Außerdem helfen langfristige Betrachtungen von KPIs. Zum Beispiel wie sich die Bewerbungseingänge verändern, seitdem man Employer-Branding-Maßnahmen einsetzt Genauso wie die Retention Rate oder die Referral Rate – das sind alles KPIs, die sich Employer Branding, HR und TA gemeinsam betrachten sollten.
Davon unabhängig lohnt sich immer ein Blick auf die Kanäle – sind diese noch passend oder gibt es Trends, die man beobachten sollte. Vor einiger Zeit hat sich für die IT-Zielgruppen Twitch als wirkungsvoller Kanal angeboten.
Auch wenn es zu Beginn schwer ist in das ganze KPI-Tracking-Thema hineinzukommen, lohnt sich der Invest absolut. Denn nur so weißt du, welche Maßnahmen erfolgreich sind und welche nicht.

Michael: Das bedeutet auch, dass Employer Branding keine Eintagsfliege ist, sondern ein Prozess. Employer Branding ist daher auch keine Ad-hoc-Recruiting-Maßnahme und dafür braucht man die Rückendeckung. Bei manchen Firmen sind dafür aber aktuell keine Ressourcen da, sodass man eher sagt „Dieses Jahr machen wir erstmal die Karriereseite und nächstes Jahr starten wir dann mit Employer Branding.“.
Wo siehst du denn für kleine und mittelständische Firmen die größten Probleme, die derzeit Employer Branding „erstmal aufschieben“ wollen?
Miriam: Employer Branding ist ein Bereich der sich, wenn du dich nicht proaktiv damit beschäftigst, verselbstständigt. Das kann das Image eines Unternehmens schnell in Schieflage bringen. Diese Entwicklung – wie eine falsche Positionierung – dann wieder gerade zu biegen, bedarf eines etwas längeren Atems.
Deswegen ist es wichtig, Employer Branding nicht (länger) aufzuschieben. Schon mit den Grundlagen, also den drei Schritten von denen in eingangs gesprochen habe, kannst du – ohne großes Budget – viel bewirken und eine super Basis schaffen.
Auch wenn Employer Branding herausfordernd und langwierig ist, bietet es großartige Chancen für das eigene Unternehmen. Deshalb sollte jedes Unternehmen damit zeitnah starten!
Wer also heute noch kein Employer Branding betreibt, der sollte es schleunigst tun. Denn weniger Konkurrenz am Arbeitsmarkt wird es nicht geben, genauso wenig wie mehr Bewerber*innen. Die Dringlichkeit sich mit der Arbeitgebermarke auseinanderzusetzen, ist also höher denn je.
Ich sage vielen lieben Dank, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.
Hier finden Sie weitere nützliche Beiträge zu diesem Thema:
- Blogbeitrag: Arbeitgeber können nicht nicht kommunizieren Teil 1
- Blogbeitrag: Arbeitgeber können nicht nicht kommunizieren Teil 2
- KPIs im Recruiting und Employer Branding (Download)
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