“Appetit” für den Jobwechsel erregen? Während eine richtig gute Essenswerbung schon mal Lust auf das Produkt machen kann, ist das Thema bei dem Jobwechsel deutlich schwerer – und benötigt viel mehr Touchpoints. Diesem Thema widmen sich Lutz Gosewisch, Leiter der Personalentwicklung bei Hapeko und unser CEO Michael in der Expertendiskussion.
Die Hauptfrage: Warum braucht Recruiting auch Marketing-Skills?
Im Interview mit Lutz Gosewich
Michael: Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Experteninterview-Reihe #Wake up, HR! Heute ist Lutz Gosewisch bei mir zu Gast. Lutz ist Leiter der Personalentwicklung bei Hapeko – einer deutschen Personalberatungsfirma.
Und damit einen guten Morgen an dich, Lutz!
Lutz: Guten Morgen Michael, danke, dass ich hier sein darf. Du sagst es richtig, wir sind unter den Top Drei der Personalberatungen.
Michael: Perfekt. Magst du uns kurz einmal vorstellen, was deine Aufgaben bei Hapeko sind?
Lutz: Ich bin hauptsächlich für unsere Workshops und Coachings zuständig und begleite die Onboarding-Phasen unserer neuen Mitarbeiter*innen. Das heißt, wir haben eine Online-Akademie, die die neuen Mitarbeiter*innen durchführen.
Und ich stehe meinen Kolleg*innen zur Seite, wenn diese Unterstützungsbedarf haben und sich verbessern wollen. Beispielsweise, wenn sie ihre Prozesse optimieren wollen und Ähnliches.
Michael: Und du hast eine jahrelange Karriere im Bereich der Personalberatung als Headhunter im Executive Search hinter dir, richtig?
Lutz: Richtig, ich bin ursprünglich Wirtschaftsingenieur und bin dann ins Personalwesen, habe mich selbstständig gemacht. Ich bin also schon gute 30 Jahre in der Branche heimisch.
Michael: Und vermutlich hast du – selbst in deiner langen Zeit – so einen Arbeitsmarkt wie heute noch nie erlebt, oder?
Lutz: Nein, tatsächlich nicht. Ich habe es zwar erwartet, weil die Prognosen der demographischen Entwicklung eindeutig waren. Durch Corona hatte ich gedacht, dass wir nicht so schnell in den Arbeitnehmermarkt hereinkommen – da war ich überrascht.
Michael: Da die Nachfrage nach Talenten sehr groß ist, ist das eine positive Situation für Personaldienstleister. Wir sehen aber auch die Kehrseite, denn trotz der vermeintlich hohen Wechselbereitschaft sinken die Bewerbungseingänge bei den Firmen. Das führt bei Arbeitgebern zu enormen Herausforderungen.
Lutz: Ja genau und das geht allen Unternehmen so. Viele mittelständische Unternehmen, aber (mittlerweile) auch Konzerne spüren, dass die Bewerbungsanzahl rückläufig ist und die Qualität sinkt. Ein verrückter Markt.
Michael: Es werden die Rufe nach einer neuen Rolle von HR immer lauter – HR soll der Treiber und Gestalter werden und den/die Arbeitgeber aus der „Personalkrise“ holen. In der Realität hadert HR aber immer noch mit den gleichen internen Problemen: Das Budget, die personellen Ressourcen und die Handlungsräume bleiben unverändert. Hier passt ja etwas nicht zusammen. Denn im Marketing scheinen diese Probleme nicht existent zu sein. Was glaubst du, weshalb HR noch nicht denselben Stellenwert wie das Marketing hat?
Lutz: Absolut, man meint, es sollte anders laufen. Ich glaube, dass das historisch bedingt ist. Ich bin ja im HR-Bereich groß geworden und ich habe schon damals festgestellt, dass Marketing ein Umsatzbringer ist – HR hingegen als Kostentreiber gesehen wird. Dass Investitionen in Mitarbeiter*innen als Investitionen gesehen wurden, ist nur bei wenigen Unternehmen angekommen. Das ging auch so lange gut, solange das Angebot entsprechend hoch war.
Jetzt haben wir einen Punkt erreicht, an dem Unternehmen mit ihrer alten Denkweise – Umsatzbringer und Kostentreiber – nicht mehr zum Zuge kommen, weil die Stellen unbesetzt bleiben.
Michael: In der Folge suchen viele Unternehmen jetzt alternative Lösungen. Wie geht ihr als Hapeko damit um, wenn Firmen euch beauftragen, ihre Vakanzen zu besetzen. Merkt ihr einen Unterschied in der Ansprache der Kandidat*innen?
Lutz: Ja, massiv. An ganz vielen Ecken und Enden des Beschaffungsprozesses sind Veränderungen deutlich spürbar. Schon zu Beginn der Candidate Journey müssen wir mehr Aufwand betreiben. Ich nenne das bei uns gern „Hapeko-Feuerwerk“. Das heißt, wir zünden wesentlich mehr Feuerwerke auf verschiedenen Kanälen als je zuvor, um Kandidat*innen zu adressieren.
Michael: Ja, absolut. Wenn ihr als Personaldienstleister mit den Kandidat*innen in der Journey seid, gibt es da einen Punkt, der die Entscheidung der Talente, sich für eure Kund*innen zu entscheiden, begünstigt?
Lutz: Ich glaube, es geht um Vertrauen. Wie in jeder Beziehung basiert auch die Arbeitsbeziehung darauf. Das erzeugen wir bei den Kandidat*innen mit Ehrlichkeit und Transparenz. Zum Beispiel hinsichtlich der Fragen, wo wir im Prozess stehen oder wie wahrscheinlich es ist, dass die Kandidat*in den Arbeitsvertrag bekommt. Die Ehrlichkeit im Gespräch mit den Kandidat*innen zahlt sich am Ende aus. Selbst, wenn die Kandidat*in das Konkurrenzangebot präferiert, weil dieses einfach besser ist, sind wir an dieser Stelle ehrlich und verstehen die Entscheidung – obwohl die Wahl dann gegen unsere Kund*innen fällt. Das Schätzen Kandidat*innen aber und empfehlen einen (Hapeko oder den Arbeitgeber direkt) im besten Fall auch weiter.
Michael: Schnelligkeit, Ehrlichkeit und Transparenz sind alles Dinge, die jeder Arbeitgeber umsetzen kann. Natürlich schmerzt es, wenn man die eine passende Kandidat*in gefunden hat und diese dann trotzdem abspringt.
Lutz: Das ist klar, gerade wenn es wirklich nur diese eine Bewerber*in gibt und die Stelle dann unbesetzt bleibt, ist das immer auch eine finanzielle Frage. Je länger Vakanzen offen sind, umso höher sind die Kosten, die dadurch im Unternehmen anfallen.
Dennoch versuchen wir bei Hapeko, diese Einstellung zu wahren und das empfehle ich auch allen Unternehmen. Denn, wenn es am Ende doch die falsche Entscheidung war, weil die Kandidat*in nach der Jobzusage merkt, dass es nicht die richtige Wahl war, ist nichts teurer als die falsche Entscheidung in der Personalauswahl. Da sind die Personalberatungskosten noch die geringsten, weil vor allem viele Ressourcen innerhalb des Unternehmens gebunden waren.
Deshalb ist es unsere Empfehlung, dann zu verzichten und sich eher auf die zu konzentrieren, die die fachlichen Skills noch nicht haben, aber die passende Persönlichkeit mitbringen.
Michael: Absolut, diese Erfahrung haben wir leider auch schon machen müssen. Aber man lernt daraus.
Michael: Im Marketing, beziehungsweise bei einer Kaufentscheidung, spielen Emotionen eine große Rolle. Merkst du das in der Personalberatung beispielsweise auch, dass ihr am Anfang mehr mit den weichen Faktoren also mit den “Klassikern” wie Gehalt, Dienstwagen etc. punkten könnt?
Lutz: Ja, das spielt in unserer Branche eine immer größere Rolle. Denn die meisten unserer Entscheidungen werden emotional gefällt. Beispielsweise war es für mich in meiner Generation damals wichtig, Arbeit zu haben, die eigenen Kompetenzen einzubringen und gute Beziehungen am Arbeitsplatz entwickeln zu können. Die jüngeren Generationen legen hingegen einen höheren Wert auf Purpose, Freiheit und die Gleichwertigkeit von Arbeit und Privatleben. Diese emotionalen Faktoren müssen wir berücksichtigen und klären wir mit allen Kund*innen zu Beginn unserer Zusammenarbeit ab.
Michael: Das heißt aber auch, dass du deinen Kolleg*innen beibringst, mehr auf die Zwischentöne zu achten.
Lutz: Richtig. Ein bekannter Spruch, den unsere kaufmännische Leiterin mal gesagt hat, lautet: “Culture eats strategy for breakfast”. Der hat sich bei mir eingebrannt, weil sich in der Unternehmenskultur alle Emotionen ausdrücken. Also alle weichen Faktoren werden immer wichtiger.
Der Jobwechsel ist für die Menschen eine unglaublich wichtige Entscheidung. Diese fällen sie nicht ohne Emotionen, denn es muss ja emotional passen und da müssen wir sie abholen.
Michael: Das sind natürlich große Herausforderungen für Arbeitgeber und euch als Personalberatung. So, wie ich unser Gespräch betrachte, ist das erstmal “nur” ein Mindset-Thema. Wir haben nicht über Budget, Overhead, etc. gesprochen.
Lutz: Ja, genau. Erstmal geht es um die Haltung der Unternehmen gegenüber HR und das Mindset von HR selbst. Danach kommt aber die Ausstattung in Form von Ressourcen, die man braucht, um am heutigen Arbeitsmarkt Talente zu finden. Ich habe ja gesagt, dass schon Profis wie du und ich beziehungsweise whyapply und Hapeko vier Mal mehr Aufwand betreiben müssen, um Kandidat*innen zu erreichen und anzusprechen. Bei Unternehmen, die nicht “täglich suchen” ist der Aufwand gefühlt acht Mal zu hoch oder höher. Und wir müssen hierfür HR mit Marketing stärker vernetzen, indem man beispielsweise in Personas denkt.
Michael: Definitiv, das machen wir bei der Targetierung unserer Kampagnen auch. Vierfacher bis achtfacher Aufwand ist ein Statement, das gut veranschaulicht, wo wir stehen und was getan werden muss, wenn man in der Zukunft noch bestehen will.
Damit sage ich Danke, dass du uns Einblicke in die Arbeitswelt von Hapeko gegeben hast und deine HR-Erfahrungen mit uns geteilt hast.
Lutz: Vielen Dank, das hat viel Spaß gemacht mit euch. Das können wir gern wiederholen!
Michael: Das machen wir, danke und bis bald!
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