Arbeitgeber müssen beim Active Sourcing mit ihrer Kandidatenansprache aus der großen Masse herausstechen – aber wie? Die Antwort findet sich sowohl auf emotionaler als auch rationaler Ebene. Auf die richtigen Textinhalte im Zusammenspiel mit der Textgestaltung kommt es an.
Die Kandidatenansprache aus psychologischer Sicht
Active Sourcing – der Nummer–1-Tipp der impulse.de, um dem Mangel an (geeigneten) Bewerber*innen entgegenzusteuern. In unserem Guide haben wir die Vorgehensweise bei der Kandidatenansprache Schritt für Schritt vorgestellt. Nun gehen wir näher ins Detail und erklären, was beim Verfassen der Ansprache im wahrsten Sinne des Wortes im Hinterkopf zu behalten ist. Und warum es wichtig ist, Kandidat*innen sowohl auf emotionaler als auch rationaler Ebene zu erreichen. Achtung: Es wird psychologisch!
Die aktive Ansprache ist nicht bloß eine Stellenanzeige, die mehr oder weniger wahllos ins Postfach der Kandidat*in geflattert kommt. Schließlich haben Recruiter*innen genau diese Person aus einem bestimmten Grund ausgewählt, was sie ihr auch vermitteln sollten. Das braucht das richtige Mindset: Was will ich bei meinem Gegenüber auslösen?
Zunächst ist es wichtig, sich die Ziele der Ansprache noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Zum einen geht es darum, die Kandidat*innen auf ganzer Linie vom Unternehmen, von der Stelle und vielleicht sogar dem Arbeitsort zu begeistern und deren Interesse zu wecken. Zum anderen ist es erstrebenswert, in positiver Erinnerung zu bleiben – auch, wenn es nicht sofort zum erhofften Gespräch kommt.
Überzeugende Textinhalte
Trick 1: Die Kandidat*in in den Mittelpunkt stellen
Was sich Marketing schon lange zu Nutzen macht, um Kund*innen von einem Produkt zu überzeugen, ist auch aufs Sourcing anwendbar: durch gezielte Maßnahmen psychologische Trigger aktivieren, die Entscheidungen bestimmen.
Das Eingangstor zum Gespräch mit der Kandidat*in öffnet sich nicht nur nach rational als wichtig empfundenen Wahrnehmungen. Sondern vielmehr durch die Reaktion auf Reize: Emotionen, die man beim Lesen von Betreff und Nachricht verspürt.
Daher ist es essenziell, Individualität zu schaffen und diese positiven Emotionen bei der Kandidat*in auszulösen. Denn sie bilden häufig die Entscheidungsgrundlage, ob und wie auf die Nachricht der Recruiter*in reagiert wird oder eben nicht. Vor allem dann, wenn ihr Postfach zunehmend von Ansprachen verschiedener Unternehmen gefüllt wird.
Doch wie können Sourcer*innen dieses Ziel erreichen? Zum Beispiel durch Einbeziehung folgender drei Punkte:
1. Connections
Das Non-plus-ultra ist natürlich, eine Gemeinsamkeit als Aufhänger zu nutzen. Das könnte zum Beispiel ein Event, wie eine Messe oder ein Webinar, sein, welches beide besucht haben. Konkrete Fragen dazu liefern die Vorlage für einen warmen Gesprächseinstieg: „Wie empfandest du den Vortrag XY?“ oder „Hast du auch an der Abendveranstaltung teilgenommen? XY hat ja interessante Einblicke in … gegeben!“.
Natürlich ist das nicht die einzige Möglichkeit eines Anknüpfungspunktes: Gibt es einen befreundeten Kontakt auf einem Netzwerk, über welchen man auf sie aufmerksam geworden ist? Vielleicht führt die Kandidat*in einen Blog, auf den man sich beziehen könnte? Oder ein gemeinsames Hobby? Viele Wege führen zum Erfolg. In jedem Fall sollte die Ansprache so persönlich gestaltet werden wie möglich.
2. Storytelling
Apropos persönlich: Wenn es keinen Aufhänger in dem Sinne gibt, kann man zumindest so viel über die Person recherchieren, um zu wissen, was sie mag. Wie wäre es beispielsweise mit einem lustigen GIF für eine leidenschaftliche Volleyballspieler*in?
Eine Idee ist die Preisgabe persönlicher Erfahrungen der Recruiter*in: Wie ist sie zum Unternehmen gekommen? Was gefällt ihr dort besonders gut? Schließlich steckt hinter der Person der Recruiter*in auch eine Persönlichkeit unabhängig vom Unternehmen. Die Personal Brand kann hier Sympathie hervorrufen.
Versetzen wir uns doch mal in die Kandidat*in: Was erwarten wir, wenn wir wegen eines Jobangebots angeschrieben werden? Einerseits wünschen sich Kandidat*innen natürlich, dass sich die Recruiter*in intensiv mit ihrem Profil beschäftigt hat. Und zwar nicht nur mit der aktuellen Jobposition. Andererseits muss ersichtlich werden, weshalb gerade sie so geeignet für die Stelle ist und was sie davon hat. Dafür müssen Recruiter*innen auch relevante Informationen zum Unternehmen nennen.
Mission und Zweck der Stelle sind wichtige Bestandteile der „Story“: Weshalb ist die Position für das Unternehmen so entscheidend? Wo soll es in Zukunft hingehen? Welches gemeinsame Primärziel wird verfolgt?
Der Effekt bei Beachtung all dieser Punkte ist, dass der Ansprachetext rund und in sich stimmig wird. Dann wird die Aufmerksamkeit der Kandidat*in gewonnen und die Basis für einen Vertrauensaufbau geschaffen.
3. Verknüpfungen
Den Text „erfolgreicher“ Ansprachen anderer Sourcer*innen herauszukopieren, funktioniert allein deshalb schon nicht, weil die hoch angepriesene Individualität komplett verloren ginge. Verknüpfungen zwischen Stelle und Person sind nach der persönlichen Anrede die Essenz der Kandidatenansprache. Warum ist genau diese Stelle interessant für die Kandidat*in? Welchen Mehrwert bietet sie ihr im Vergleich zur aktuellen Situation? Neben Qualifikationen und Berufserfahrung stehen auch die beruflichen Interessensschwerpunkte und Soft Skills im Vordergrund.
Angenommen, eine Kandidat*in ist Softwareingenieur*in mit Fokus auf Security im Automobilbereich. Dann könnte sie beispielsweise die Konzipierung eines neuen Security-Systems triggern. Oder das Schließen einer Sicherheitslücke. Wichtig ist demnach, herauszustellen, warum sie perfekt auf diese Stelle passt oder weshalb sie sich besonders gut auf diesem (Teil-)Gebiet auskennt (Berufserfahrung, Qualifikationen, frühere Arbeitgeber etc.).
Vor allem kleinere oder unbekanntere Unternehmen, die noch nicht von einer starken Arbeitgebermarke zehren, müssen
- von ihren Produkten erzählen,
- die interessanten Aufgaben in den jeweiligen Bereichen vorstellen und
- ihren USP herausstellen.
So können sie zum einen von sich selbst überzeugen und ihren auserwählten Kandidat*innen zum anderen ermöglichen, sich mit ihnen bzw. ihren Produkten zu identifizieren. Dies wiederum begünstigt die Motivation und Offenheit, mehr über die Stelle zu erfahren. Wenn das Gesamtbild stimmt, steigen die Chancen einer positiven Reaktion seitens der Kandidat*in.
Ein aktuelles Beispiel ist die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Wirbt ein Unternehmen damit, ausschließlich mit recycelten Rohstoffen und Inhaltsstoffen natürlichen Ursprungs zu produzieren, können das die entscheidenden Argumente für Kandidat*innen sein, sich bei dem Unternehmen zu bewerben.
Trick 2: Die Besonderheiten hervorheben
Bei all dem darf das eigentliche Ziel nicht vergessen werden: Die Kandidat*in für Stelle und Unternehmen zu begeistern – unabhängig davon, ob sie aktiv auf Jobsuche oder nicht jobwechselwillig ist. Dafür müssen relevante Informationen wie Aufgaben, Arbeitsort, Karrierechancen und Benefits unbedingt genannt werden. Immer vor dem Hintergrund: Welchen Mehrwert kann das Unternehmen der Kandidat*in bieten? Welchen Nutzen trägt sie davon?
Wichtig ist, in erster Linie die Erhöhung der Lebensqualität im Vergleich zur aktuellen Situation der Kandidat*in hervorzuheben, ohne unglaubwürdig zu klingen. Dabei lohnt es sich, insbesondere Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten zu betonen. Denn Menschen streben ständig nach Weiterbildung und -entwicklung, um nicht ein Gefühl des Stillstands zu erleben. Während Arbeitsplatzsicherheit und Gehaltsangaben Existenzängste beseitigen, versprechen mehr Flexibilität in puncto Arbeitszeiten und -weise bessere Aussichten in Hinblick auf die Work-Life-Balance.
Dabei zählt der Arbeitsort zu den wichtigsten Kriterien für die meisten Kandidat*innen: Ist dieser nicht bereits Wohnort, gilt es vor allem, die Vorzüge des Standortes herauszustellen: Warum lohnt es sich, für diese Stelle zu pendeln oder umzuziehen? Was macht den Arbeitsort attraktiv? Gibt es ein vielfältiges kulturelles Angebot oder ist die Landschaft besonders schön? Das Privatleben inklusive Familie, Freunde und Hobby gibt man schließlich nicht einfach so auf, mag der Job noch so verlockend klingen. Eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder eine Monatskarte für den Nahverkehr anzubieten, kann hierbei als ein Incentive unterstützend wirken.
Trick 3: Auf die Bedürfnisse eingehen
Insbesondere bei dem Recruiting ausländischer Fachkräfte spielt das Thema Umzug eine erhebliche Rolle. In diesem Fall müssen sich Arbeitgeber besonders viel Mühe geben und über das „Standardangebot“ hinausgehen.
Ein Beispiel: Ein Software-Unternehmen hat sich entschlossen, für die Vergrößerung seines Entwicklerteams qualifizierte Mitarbeitende aus anderen Ländern einzustellen. Diese Maßnahme ist unabdingbar für die weitere Entwicklung des Unternehmens. Und auch wenn der Aufwand im ersten Moment hoch erscheint, ist der Schaden größer, wenn weiterhin erfolglos im Inland gesucht würde. Denn (lang andauernde) Recruiting-Maßnahmen kosten Zeit und somit auch Geld.
Deshalb fallen die Kosten – langfristig gesehen – deutlich geringer aus und sind wesentlich besser investiert, wenn das Software-Unternehmen seine künftigen Mitarbeitenden aus dem Ausland mit mehr als nur einem attraktiven Gehalt lockt. Ob Hilfe bei der Wohnungssuche oder ein berufsbegleitender, kostenloser Sprachkurs – vor allem für höhere Positionen dürfen die Bemühungen nicht zu knapp ausfallen.
Denn eine unbesetzte Führungsposition kann das Unternehmen schnell hohe fünfstellige Summen in einem Zeitraum von 80 Tagen kosten. Die Familie zurückzulassen, ist für viele keine Option. Deshalb sollten Arbeitgeber die Reise- oder Umzugskosten für die gesamte Familie übernehmen. Unternehmen können zusätzlich punkten, indem sie beispielsweise der Partner*in bei der Jobsuche assistieren und einen Schul- bzw. Kitaplatz für die Kinder garantieren.
Die Angebotsmöglichkeiten sind vielfältig. Sie müssen jedoch auf die Bedürfnisse der potenziellen neuen Mitarbeitenden ausgerichtet sein und in der Ansprache kommuniziert werden.
Passende Textgestaltung
Trick 4: Der erste Eindruck zählt
Auch beim Active Sourcing. Denn dieser bestimmt die Entscheidung, ob der Text gelesen wird oder nicht. Zunächst spielt die Länge der Nachricht eine wichtige Rolle: Finden Kandidat*innen einen halben Roman in ihren Nachrichten vor, sind sie von vornherein wenig geneigt, diesen zu lesen. Zu kurze Ansprachetexte hingegen signalisieren Desinteresse und hinterlassen den Eindruck, dass es nicht die Wunschkandidat*in ist. Die oben genannten Punkte können nicht berücksichtigt werden und die Chance, in (positiver) Erinnerung zu bleiben, sinkt.
Trick 5: Smile(y) verwenden 😊
Neurologisch gesehen dominieren visuelle Reize. Daher sollten Emojis einen festen Platz im Ansprachetext haben. Denn sie lösen Emotionen aus und wirken – sinnvoll und sparsam eingesetzt – sympathisch und auflockernd. In Kombination mit der wertschätzenden und offenen Art der Sourcer*in gelingt so eine „warme“ Kontaktaufnahme.
Trick 6: Nach F-Schema filtern
Typischerweise überfliegt man Texte nach einem F-Schema (F–Shaped Pattern). Dabei liegt die Konzentration auf Satzteilen eines Textes so, dass diese die Form des Buchstaben „F“ ergeben. Deshalb sollten relevante Schlagwörter und die wichtigsten Inhalte in den ersten und mittleren Abschnitten sowie am linken Textrand zu finden sein.
Zudem erleichtern Wörter, die zusammenpassen, den Lesefluss und schaffen Harmonie im Text. Das hat auch Einfluss auf den (bleibenden) Gesamteindruck von der Recruiter*in und dem Unternehmen. Des Weiteren wird dank der selektiven Wahrnehmung alles im Gehirn gefiltert und irrelevante Infos ausgesiebt. Floskeln, die typisch für Stellenanzeigen sind, wie zum Beispiel eine Aufzählung von Soft Skills, kann man sich deshalb sparen. Anders beim Ort der Tätigkeit: Ist dieser unattraktiv oder zu weit vom jetzigen Wohnort entfernt, kann das bereits Ausschlusskriterium für die Stelle sein.
Trick 7: Das Wichtigste zuerst nennen
Das menschliche Gehirn ist bekanntlich begrenzt und kann nicht alles abspeichern. Gleich gar nicht so, dass wir jederzeit Zugriff darauf haben. Menschen merken sich Erst– und Letztgenanntes am besten. Die Konsequenz für Recruiter*innen ist: Wichtigste Infos gehören an den Anfang und eine kurze Zusammenfassung des Positiven ans Ende. Das heißt aber natürlich nicht, dass der Mittelteil irrelevante Informationen enthalten kann.
Trick 8: Konkret und einfach sein
Potenziellen Bewerber*innen sollte der Austausch- bzw. Bewerbungsprozess so wenig Umstände wie möglich bereiten. Wenn der Aufwand für sie minimiert wird, erhöht sich die Bereitschaft für ein erstes Gespräch. Statt viel drum herumzureden, sollten Recruiter*innen die Kernmessage präzise auf den Punkt bringen. Dann weiß die Leser*in auch beim Überfliegen schon, worum es geht. Lange Schachtelsätze sind anstrengend für das Gehirn und behindern den Lesefluss.
Zudem sollte die Ansprache keinesfalls Interviewcharakter haben. Mindestens eine und maximal zwei Fragen sind völlig ausreichend. Sie geben der Kandidat*in eine Antwortvorlage und erleichtern ihr somit die Formulierung. Wird sie hingegen von Fragen überhäuft, fühlt sie sich überfordert und es besteht die Gefahr, sie zu verlieren.
Trick 9: Die Kandidat*in entscheidet
Flexibilität bei der Terminwahl für einen ersten Austausch oder ein persönliches Kennenlernen ist ein absolutes Muss. Schließlich erwarten Kandidat*innen ein Entgegenkommen und es wird ihnen ein Gefühl der Kontrolle vermittelt. Vorgegebene Termine sorgen hingegen für Druck und führen zu geringen Erfolgschancen.
Unsere Learnings
- Das Interesse der Kandidaten*in bereits bei der ersten Kontaktaufnahme durch Verknüpfungen zwischen Stelle und Person wecken.
- Textinhalt und -gestaltung aufeinander abstimmen, da sie Kandidat*innen sowohl auf rationaler als auch emotionaler Ebene ansprechen.
- Positive Emotionen hervorrufen. Denn Emotionen bleiben in Erinnerung, nicht Äußerungen.
- Ein kontinuierlicher Switch in die Kandidatenperspektive lohnt sich für die Auswahl der wichtigsten Textinhalte.
- Auch Verknüpfungen zu privaten Interessen können Aufhänger für einen ersten Austausch sein.