Ein Hochglanz-Image zum Beeindrucken von Toptalenten reicht nicht mehr aus. Denn Kandidat*innen möchten einen Blick in die Praxis erhaschen, bevor sie sich bewerben. Das heißt die Bedeutung von Aufgabe und Image eines Arbeitgebers ändert sich. Darauf muss HR im Recruiting entsprechend reagieren – und das bestenfalls durch realistic job previews.
Bye, Boomer! And welcome Gen Z!
“Wie recrutieren wir Nachwuchsgenerationen?” Das ist die Frage, die langsam, aber sicher immer mehr Unternehmen beschäftigt. Denn die Babyboomer-Generation verlässt Schritt für Schritt den Arbeitsmarkt. Dafür wird sie von der Gen Z in den nächsten Jahren abgelöst – diese hat allerdings andere Erwartungen als die älteren Generationen.
Das bewies zuletzt eine Studie von Stefan Scheller. Arbeitsplatzsicherheit, Weiterbildungsmöglichkeiten und der Erfolg des Unternehmens – das sind alles Punkte, die für die befragten Studierenden weniger zählen. Aber worauf legen sie stattdessen Wert? Mit deutlichem Abstand zu den anderen Punkten siegen die Arbeitsaufgabe und -atmosphäre. Wie international oder erfolgreich das Unternehmen ist, interessiert die jungen Befragten weniger.
Erfüllende Aufgaben für eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit
Es ist also die eigene Tätigkeit, die jüngere Generationen von einem Arbeitgeber überzeugt – denn was bringt ein tolles Image, wenn die Arbeit an sich nicht erfüllend ist? Hier sind vor allem Auslastung und Sinn die beiden Faktoren, die eine immer größere Rolle spielen.
So verlieren Mitarbeitende, die sich in ihrem Job langweilen, schnell ihre Motivation, was eine Reihe von Folgen mit sich ziehen kann. Fehleranfälligkeit und Krankenstand steigen, während Effizienz und Kreativität leiden. In ernsteren Fällen führt eine Unterforderung im Job zu einem Boreout – eine ernsthafte psychische Erkrankung, die von Symptomen wie beispielsweise einer höheren Gereiztheit, Schlafstörungen und schlimmstenfalls einer Depression begleitet wird.
Der Sinn der Aufgabe wiederum geht über die eigene Person und das Unternehmen hinaus: Was trägt der eigene Job zur Gesellschaft bei? Wem hilft diese Arbeit? So geben 75 Prozent der Befragten einer “Purpose”-Studie an, dass der Sinn ihrer Arbeit in direktem Zusammenhang mit ihrer Zufriedenheit steht. Doch von Unternehmensseite können nur vier von zehn den eigenen Zweck überhaupt benennen. Hier liegt also noch großes Potenzial – das viele Arbeitgeber noch nicht genug ausschöpfen.
Die eigene Arbeitsaufgabe rückt also immer weiter in den Vordergrund. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Image und Beliebtheit nur noch “hinten anstehen”?
Guter Ruf = viele Bewerber*innen?
Geht diese Rechnung noch auf? Es ist kein Geheimnis, dass unbeliebte Unternehmen Probleme damit haben, geeignete Kandidat*innen zu finden und Mitarbeitende an sich zu binden. Der Umkehrschluss müsste dann sein, dass Unternehmen mit einer besonders guten Reputation ein leichtes Spiel im Recruiting haben. Doch welche Stellung hat das Image für Bewerber*innen wirklich?
Keine vorwiegende – das ergab zuletzt eine Kanaleo-Studie. Nur acht Prozent der Befragten legen Wert auf das Ansehen des Unternehmens, bevor sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Der untergeordnete Fokus spiegelt sich auch in einer Befragung von Auszubildenden wider. Am meisten zählt für sie die Beschreibung der Aufgabe in der Ausbildung. Und der Betrieb? Der kommt erst an vierter Stelle – mit einer Differenz von etwas weniger als 20 Prozent.
Unternehmen und deren Recruiting-Abteilung sollten sich also nicht auf dem eigenen guten Ruf ausruhen und davon ausgehen, dass er alleine dafür sorgt, dass die passenden Kandidat*innen in den Betrieb strömen und dort bleiben. Hierfür bedarf es mehr Geschick – zum Beispiel beim Präsentieren der realen Arbeitsaufgaben.
Mit realen Arbeitsaufgaben Toptalente begeistern
Wenn die Reputation nur nebensächlich ist – worauf achten Bewerber*innen denn sonst? Besonders ein Aspekt ist in den diversen Studien ganz vorne dabei: realistische Arbeitsaufgaben. Und das bedeutet konkret…?
Hinter den, in Fachenglisch, “realistic job previews”, verbirgt sich ein einfaches Konzept. Die Kandidat*innen sollen einen Blick in die Praxis der Vakanz erhaschen, um ihre Eignung für die Stelle einschätzen zu können. Das bringt gleichzeitig einen Vorteil für die Recruiter*innen mit sich. Ein Großteil der Kandidat*innen, die für die Stelle ungeeignet sind, selektieren sich selbst aus. Damit spart die Personalabteilung Zeit und Kosten.
Ein Hochglanz-Image ist kein Alleinstellungsmerkmal!
Sichtbarkeit ist zweifelsohne wichtig, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Was bringt schließlich eine spannende Arbeitsaufgabe, wenn sie von niemandem gelesen wird? Doch Fakt ist: Was sichtbar ist, lockt zwar an, doch zwingt nicht zum Bleiben. Werden die Kandidat*innen enttäuscht, sobald sie einen näheren Blick auf das Unternehmen und die Vakanzen werfen, werden sie sich kaum bewerben. Hier muss dieser Touchpoint genutzt werden, um zu begeistern – und so die passenden Talente zur Bewerbung zu bringen und später zu halten.
Porsche startete so beispielsweise, trotz exzellenten Rufes, eine Employer-Branding-Kampagne, die statt Luxus und Prestige andere Sachen betont: nämlich Authentizität und Bodenständigkeit.
Um vor allem Student*innen und Berufseinsteiger*innen von sich als Wunsch-Arbeitgeber zu überzeugen, lässt Porsche in der Kampagne einen Blick hinter die Kulissen zu. Statt einer polierten Variante der Wirklichkeit wird der wahre Alltag abgebildet – mit all seinen Ecken und Kanten.
Was muss beim Schreiben der realistic job previews beachtet werden?
Bei der Erstellung der realen Arbeitsaufgaben gilt vor allem eins: Je konkreter, desto besser. Das “real” wird hier nicht umsonst betont. Aufgaben in die Ausschreibung zu packen, die zwar Fachkenntnis verlangen, aber letztendlich wenig mit der Praxis zu tun haben, widersprechen dem eigentlichen Sinn hinter der job preview. Bestenfalls hat die HR-Abteilung die Möglichkeit, mit der jeweiligen Fachabteilung gemeinsam eine Aufgabe zu formulieren. Das spätere Arbeitsumfeld hat schließlich den klarsten Blick darauf, was von den Kandidat*innen gefordert wird 😉.
Ein Beispiel dafür, wie eine solche Aufgabe aussehen kann, ist die “Erst testen, dann fliegen!”-Kampagne von EasyJet. Mithilfe eines interaktiven Online-Quiz’ können Kandidat*innen erfahren, welche Stelle zu ihnen passt. Dabei werden ihnen zehn reale Situationen aus dem EasyJet-Alltag geschildert, auf die die Kandidat*in mittels dreier Antwortmöglichkeiten reagieren soll. Je nachdem, welche Antwort gewählt wird, bekommt die Teilnehmer*in ein kurzes Feedback, das gleichzeitig einen Blick in den Arbeitsalltag ermöglicht.
Keine Ideen oder zu viel Aufwand? Auf externe Dienstleister setzen!
Wer von der Expertise und den Tipps und Tricks anderer profitieren möchte, kann auf externe Dienstleister bauen. So bietet beispielsweise die JobChallenge eine herausragende Möglichkeit, den Ansprüchen nach mehr Praxis vor der Bewerbung gerecht zu werden. Und nicht nur das: whyapply erhöht auch die Sichtbarkeit von Arbeitgebern in der gewünschten Zielgruppe. Das zeigt sich unter anderem in folgender Kennzahl: EineJobChallenge wird 13x häufiger geklickt als eine normale Stellenanzeige. Mehr Informationen zur JobChallenge gibt es hier.
Die Moral von der Geschicht’: Der Ruf ersetzt die Aufgabe nicht
In der Öffentlichkeit wertgeschätzt zu werden, ist sicherlich ein klarer Vorteil – allerdings reicht ein Hochglanz-Image längst nicht mehr aus, um im Arbeitnehmermarkt herauszustechen. Und das sehen nicht nur die Nachwuchsgenerationen so.
Besonders passive Kandidat*innen, die nicht aktiv nach einem neuen Job suchen, lassen sich dadurch nicht beeindrucken. Der Homo Passivus sucht nach Herausforderungen – eine spannende Arbeitsaufgabe kann hier der Köder sein, der diese Kandidat*innen nicht nur anlockt, sondern auch dazu bringt, sich zu bewerben und später im Unternehmen zu verweilen. Eine reale Arbeitsaufgabe bietet schließlich wenig Potenzial für spätere Enttäuschungen – die Kandidat*in weiß bereits vor der Bewerbung, was auf sie zukommt und kann entscheiden, ob die Vakanz zu ihr passt oder nicht.
Ein tolles Image geht hingegen auch meistens mit hohen Erwartungen an das Unternehmen als Arbeitgeber einher. Werden diese enttäuscht, beispielsweise weil die Stellenanzeige mehr verspricht als der Job erfüllen kann, kann dies dazu führen, dass die Arbeitnehmer das Unternehmen bereits während der Probezeit wieder verlassen. Ein mehr als ärgerlicher Umstand für die Personalabteilung, die nun erneut Zeit und Kosten in die Besetzung dieser Vakanz investiert. Aber auch das Team wird durch solche Vorfälle zusätzlich belastet, weil es die anfallende Arbeit abfangen und erneut Zeit für die Einarbeitung aufwenden muss.
Zusammengefasst: Wer sich nur darauf ausruht, beliebt zu sein, wird zwar sicherlich auch weiterhin einige Kandidat*innen anziehen. Aber damit sich die wirklichen Toptalente, die in das Unternehmen und zu der Vakanz passen, bewerben und später im Unternehmen bleiben, braucht es mehr. Eine Möglichkeit ist hier die realistic job preview. Aber auch Sichtbarkeit in der erwünschten Zielgruppe ist im Recruiting essenziell. Wenn nämlich keiner von der spannenden Aufgabe erfährt, wird sie auch von niemanden gelöst ????.
Unsere Learnings
- Ein reales Bild in der Öffentlichkeit ist für Arbeitgeber ein guter Startpunkt. Besonders jüngere Generationen möchten mehr sehen, bevor sie sich bei einem Unternehmen bewerben.
- Realistic job previews sorgen für Pluspunkte bei den Kandidat*innen und können der Personalabteilung Zeit und Kosten sparen. Wer realitätsgetreue Einblicke in den Arbeitsalltag liefert, gewinnt Kräfte, die im Unternehmen bleiben wollen. Warum auch wechseln, wenn die Aufgabe erfüllend ist?
- Je konkreter die Arbeitsaufgaben beschrieben sind, desto besser. Optimal ist eine Zusammenarbeit von HR mit der jeweiligen Fachabteilung.
- Sichtbarkeit statt 5-Sterne-Reputation: Wer passende Kandidat*innen anziehen möchte, muss diese zuerst erreichen. Konkrete Arbeitsaufgaben können hier eine Möglichkeit sein. Aber auch Social Media, Hackatons und die Karriereseite sind, je nach Zielgruppe, interessante Kontaktpunkte.