Corporate Influencer*innen verbreiten auf Social Media reale Einblicke in das eigene Unternehmen. So können Unternehmen breitere Zielgruppen nicht nur erreichen, sondern auch mit glaubwürdigen Inhalten überzeugen. Welchen Mehrwert bietet ein Markenbotschafterprogramm noch und was gibt es dabei zu beachten?
Social Media: Ein großer Nutzen bei wenig Vertrauen
Social Media Recruiting ist für HR-Abteilungen und Employer-Branding-Beauftragte längst kein Fremdwort mehr. Ganz im Gegenteil: Nach eigenen Angaben nutzen 180 Millionen Unternehmen Facebook-Apps, um sich mit Kund*innen zu verbinden und das Business zu stärken. Parallel dazu nutzen laut einer Bitkom-Studie 75% der Privatnutzer*innen Social Media seit der Coronakrise verstärkt. Eine große Chance für Unternehmen, sichtbar zu sein und mit den richtigen Inhalten die eigene Marke zu stärken. Eine Möglichkeit, die Arbeitgeber besonders in Zeiten großer Unsicherheit nutzen sollten.
Glaubwürdigkeit spielt dabei seit jeher eine große Rolle und ist für Online-Communities der zweitwichtigste Faktor (nach interessantem Content). Versprechen, wie beispielsweise flache Hierarchien, eine „Hands on“-Mentalität und eine offene Unternehmenskultur, klingen sicherlich vielversprechend. Sie werden allerdings mittlerweile von den meisten Unternehmen kommuniziert, wodurch sie zunehmend den klassischen „Werbecharakter“ erreichen. Um hier nicht auf taube Ohren zu stoßen, sondern mit der eigenen Message zu überzeugen, sind reale Inhalte gefragt.
Eine hilfreiche Maßnahme für dieses Problem haben bereits viele Firmen erkannt und in ihre Kommunikation eingebunden. Sie heißt “Corporate Influencer*innen” – eigene Mitarbeitende als Markenbotschafter*innen.
Personalmarketing mit Authentizität
Der Begriff „Influencer“ mag für viele schnell Bilder von begeisterten Produktvorstellungen in Instagram-Stories hervorbringen. Welche Relevanz sollen „Corporate Influencer“ dabei für HR haben?
Zunächst einmal unterscheiden sich Influencer*innen aus den eigenen Reihen wirkungstechnisch von „gekauften“ Vertreter*innen. Hier lohnt es sich, die Frage nach Authentizität und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation zu betrachten. Es ist kein Geheimnis, dass Menschen gerne die Geschichten anderer Menschen hören. Und wer kann einen besseren Einblick in die Stories des Unternehmen liefern als die eigenen Mitarbeitenden?
Auf LinkedIn ist der Hype um Storys aus dem eigenen Arbeitsalltag und über Erfolge und Herausforderungen längst angekommen. „Storytelling“ hat sich seit Jahren zu einem wirksamen Marketinginstrument entwickelt. Wir neigen dazu, Interesse für die Geschichten anderer zu haben. Warum nicht also das eigene Profil um ein Video aus dem Unternehmen erweitern? Ein spannendes Projekt erläutern? Die offene Teamatmosphäre anhand von Bildern aus dem letzten digitalen Lunch verdeutlichen?
Der Vorteil für Kandidat*innen
All diese Inhalte wirken authentisch, menschennah und ungekünstelt. Einfach, weil sie auf der Realität beruhen. Sie wirken sich damit direkt auf die Employer Brand aus, verfestigen das Bild, das Kandidat*innen von dem Arbeitgeber haben und verleihen Floskeln wie flachen Hierarchien oder einer offenen Atmosphäre Glaubwürdigkeit. Richtig angestellt, können so die Unternehmenswerte nicht nur kommuniziert, sondern präsentiert und damit untermauert und im Gedächtnis potenzieller Kandidat*innen verankert werden.
Zudem vermitteln Corporate Influencer*innen den potenzielle Bewerber*innen das Gefühl, zukünftige Kollegen schon vor der eigentlichen Einstellung kennenzulernen. Natürlich werden sie (besonders in großen Unternehmen) später nicht mit jede*m zusammenarbeiten. Aber: Corporate Influencer*innen stehen stellvertretend für alle Kolleg*innen im Team. Somit bleibt der Einblick – besonders in die Teamatmosphäre – realitätsgetreu. Die Kandidat*innen können damit außerdem einschätzen, ob sie in das Team passen und sich in der gelebten Kultur wohlfühlen würden.
Grundsätzlich ist jeder Stakeholder ein Markenbotschafter
Corporate Influencer*innen sind im engen Sinn Mitarbeitende, die unter Beachtung der Leitwerte des Unternehmens und dessen Kultur Inhalte aus ihrem Arbeitsalltag streuen. Im weiteren Sinn kann allerdings jeder, der über das Unternehmen spricht, ob Mitarbeitende*r oder Kandidat*in, ein „Markenbotschafter“ sein. Damit sind grundsätzlich alle Stakeholder in der Lage, die Employer Brand positiv wie auch negativ zu beeinflussen.
Ob eine frustrierte Bewertung auf kununu von einer unzufriedenen Bewerber*in, eine Weiterempfehlung des Unternehmens an einen Freund oder ein unglücklicher Post einer Mitarbeiter*in über unflexible Arbeitszeiten. Rund um das Unternehmen besteht eine große Kommunikations-Bubble, die andere Kandidat*innen beeinflusst. Diese darf keinesfalls ignoriert werden – denn die besten (bewussten) Corporate Influencer*innen bringen wenig, wenn das Unternehmen mit negativen kununu-Bewertungen überflutet wird. Im Gegenteil: ihre Glaubwürdigkeit wird wahrscheinlich in Frage gestellt.
Deswegen sollten Arbeitgeber auch immer das Feedback ihrer Stakeholder im Auge behalten und zu Herzen nehmen. Besonders bei negativen Kommentaren sollte eine annehmende und wertschätzende Reaktion erfolgen. Schließlich gefährden diese im Ernstfall die Authentizität der eigenen Kommunikation. Zusätzlich können Unternehmen die Kritik nutzen, um die eigenen Prozesse zu verbessern. Ein frustrierter Kommentar über einen umständlichen Bewerbungsprozess ist so ein Zeichen, dass hier Verbesserungen nötig sind. Zusätzlich kann natürlich auch positives Feedback geteilt, geliked oder kommentiert werden, um weitere Arbeitgeberpunkte zu sammeln.
Die passende Zielgruppe erreichen
Erzählen Mitarbeitende die eigenen Geschichten und die des Unternehmens im Auftrag der HR- oder PR-Abteilung, spricht man (offiziell) von Corporate Influencer*innen. In der Regel werden hier nicht zufällig beliebige Mitarbeiter*innen ausgewählt, denn der Erfolg des Programms hängt vor allem von einer heterogenen Gruppe ab. Corporate Influencer*innen aus verschiedenen Fachabteilungen, Interessensfeldern und Altersgruppen können so verschiedene Peer Groups aus den gleichen Sparten erreichen. Schließlich ist der Content, der einen zukünftigen Azubi im Sales-Bereich anspricht, ein anderer als der, der künftige IT-Leiter*innen für das Unternehmen begeistert.
Wer hier die richtigen Personen auswählt, kann im besten Fall genau die potenziellen Kandidat*innen erreichen, die gleichzeitig die Zielgruppe einer offenen Vakanz darstellen. So ist die Marketingbeauftragte auf LinkedIn wahrscheinlich mit anderen Marketern vernetzt, genau wie Entwickler*innen anderen Personen aus der IT-Branche folgen.
Die passenden Markenbotschafter*innen auswählen
Um die bestgeeigneten Mitarbeitenden zu identifizieren, sind die einzelnen Team-Leads gefragt. Sie kennen die besonders engagierten Teammitglieder*innen und können diese gezielt ansprechen. Gleichzeitig kann HR auch intern für die Teilnahme werben, beispielsweise über einen Aufruf im Intranet. So geben sie auch intrinsisch motivierten Mitarbeitenden die Chance zur Teilnahme. Dabei können den zukünftigen Markenbotschafter*innen auch Anreize für diese Arbeit gegeben werden. So ist es beispielsweise wichtig, den Corporate Influencer*innen Arbeitszeit für diese Nebentätigkeit zur Verfügung zu stellen. Dadurch ziehen sie keinen Nachteil aus der Tätigkeit (im Sinne von weniger Freizeit) und werden gleichzeitig dafür entlohnt.
Welche Anforderungen das Unternehmen selbst an die zukünftigen Corporate Influencer stellt (beispielsweise ein LinkedIn-Profil mit einer bestimmten Anzahl an Followern), ist dem Unternehmen selbst überlassen. Der Trick dabei: Die Strategie so natürlich und zufällig aussehen zu lassen wie möglich. Das bedeutet im Konkreten, dass zwar ein Plan hinter dem Programm stehen muss (welche Inhalte werden wo und von wem geteilt), die Inhalte selbst sollen aber natürlich und zwanglos sein.
Die Telekom macht es vor
Eine der Firmen, die ein Markenbotschafterprogramm erfolgreich in ihre Strategie integriert hat, ist die Telekom. Sie verfolgt ihre Ziele zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung unter den Hashtags #LoveMagenta, #WeWontStop und #Werkstolz. Hier teilen über 200 Botschafter*innen auf Social Media Einblicke in ihren Unternehmensalltag. Die Corporate Influencer*innen sind dabei keine externen Dienstleister, sondern kommen aus den eigenen Reihen. Ein großer Vorteil für die Idee hinter dem Programm. Wer kann schließlich den realen Arbeitsalltag besser und authentischer darstellen als die, die ihn selbst erleben?
Vertrauen ist stärker als Kontrolle
Integriert ein Unternehmen ein Markenbotschafterprogramm, ist ein kurzes Briefing bzw. eine Schulung der künftigen Botschafter essenziell, um ein konsistentes Markenbild herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dort lernen die zukünftigen Influencer*innen, wie sie die Arbeitgeber- und Unternehmenswerte an die Zielgruppen vermitteln. Gleichzeitig wird ein Fokus gelegt, auf welche Inhalte sie sich konzentrieren sollen. Grundsätzlich dürfen die Werte für das Team natürlich nicht neu sein. Schließlich erleben die Mitarbeitenden die Kultur bereits täglich. Falls es doch zu (größeren) Überraschungsmomenten kommen sollte, erweist die gelebte Kultur Lücken auf, die dringend gefüllt werden müssen. Schließlich ist und bleibt das Ziel, reale Einblicke zu ermöglichen.
Das Briefing ist vor allem dazu da, einen groben Leitfaden für die Postings zu erstellen, an denen sich die Influencer*innen orientieren können. Grundsätzlich sollte allerdings Vertrauen vor Kontrolle gelten. Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, einen Teil der Kommunikation abzugeben, ist ein Markenbotschafterprogramm schon zum Scheitern verurteilt. Lange Freigabeprozesse bei engen Richtlinien plus vorgegebene Inhalte und Formulierungen sind dabei absolute Motivationskiller für Mitarbeitende, die sich gerne aktiv für das Unternehmen engagieren würden. Deswegen gilt: so viel Freiheiten wie möglich, so wenig Richtlinien wie nötig.
Der Einfluss auf die Mitarbeiterbindung
Wie bereits erwähnt, zeichnen sich Corporate Influencer*innen vor allem dadurch aus, sich aktiv für ihr Unternehmen bemühen und einsetzen zu wollen. Ein oft genannter Zweifel von HR und Unternehmensführung ist es, dass die Markenbotschafter*innen auch andere Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen. Ein Wechsel eines Markengesichts würde sich wiederum negativ auf die Employer Brand auswirken.
Hier müssen zuerst einige Fragen abgewogen werden. Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand bereit ist, das Unternehmen zu verlassen, obwohl er sich so für es engagiert? Und warum sollte jemand, der die eigene Unternehmenskultur nicht nur verinnerlicht hat, sondern aktiv lebt und vorlebt, genau dieser den Rücken kehren? Schließlich werden die Mitarbeitenden, die an die eigenen Werte nicht glauben, sie A) nicht authentisch vermitteln können und B) auch höchstwahrscheinlich nicht wollen.
Auf der anderen Seite werden nicht nur die Corporate Influencer*innen, die aktiv vom Unternehmen gefördert werden, positiv beeinflusst. Auch andere Mitarbeitenden ziehen ihre Vorteile aus einem solchen Programm. So ermöglichen Einblicke in den Arbeitsalltag der Kolleg*innen gleichzeitig, das eigene Unternehmen besser kennenzulernen. Zudem ergeben sich aus den Erfahrungen anderer Mitarbeitenden möglicherweise Perspektiven für die eigene Weiterentwicklung.
Hoch lebe die Arbeitgebermarke
Insgesamt ist ein Markenbotschafterprogramm nicht nur ein langes Wort, sondern auch eine sehr gute Möglichkeit, die Employer Brand zu stärken und die eigenen Mitarbeitenden zu fördern. Eine gelebte Unternehmenskultur ist hier selbstverständlich die grundlegende Voraussetzung für den langfristigen Erfolg. Wer allerdings Zeit und Energie in die Definition der eigenen Werte und dessen Umsetzung in allen Abteilungen gesetzt hat, sollte sich auch die Zeit nehmen (und gleichzeitig den Mitarbeitenden die Zeit geben), die Errungenschaften mit der Außenwelt zu teilen. Am Ende der Kette steht ein realitätsnahes, harmonisches Bild des Unternehmens, das Mitarbeitende gerne teilen und das potenzielle Kandidat*innen begeistert.
Unsere Learnings
- Ein Markenbotschafterprogramm bietet die Möglichkeit, potenziellen Kandidat*innen einen authentischen Blick in das Unternehmen zu ermöglichen und gleichzeitig Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden.
- Vertrauen steht hier über Kontrolle. Die Corporate Influencer*innen sollten natürlich die Leitbilder kennen. Um engagiert und motiviert zu bleiben, müssen sie allerdings ihre Postings mit möglichst viel Freiraum gestalten und mit möglichst wenig Feedbackschleifen veröffentlichen können.
- Ist die Markenbotschaftergruppe heterogen aufgestellt, können einzelne Zielgruppen, sowohl aus verschiedenen Fachbereichen als auch Altersgruppen, einfach und effektiv erreicht werden.
- Eine gelebte Unternehmenskultur, die Mitarbeitende begeistert, ist Grundlage für den Erfolg und die Authentizität der Corporate Influencer*innen. Motivation, den eigenen Arbeitsalltag zu teilen, entsteht dabei vor allem aus dem eigenen Spaß an der Arbeit und der guten Atmosphäre im Team.