Neue Herausforderungen im Recruiting während der Pandemie, Coaching in Veränderungsprozessen und zielgruppengenaues Recruiting: Diese Woche durften wir Cornelia Paul, Personalreferentin bei Porsche Leipzig GmbH, im Rahmen von HRunited zu ihren Erfahrungen im HR-Bereich befragen.
Liebe Cornelia, ich freue mich sehr, dass du uns heute kleine Anekdoten über deine Personalarbeit erzählst und ein paar Tipps aus der HR-Trickkiste hast du auch dabei. Dann lass uns doch am besten gleich mit deiner Arbeit beginnen. Damit du nicht deinen Lebenslauf zitieren musst, frage ich mal so:
Was schätzt du an deinen Aufgaben als Personalerin?
Cornelia: Die tägliche Abwechslung in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen und Führungskräften. Jeder hat eine unterschiedliche Perspektive auf die Situation, eine Fragestellung oder eine Aufgabe und gemeinsam einen Konsens, eine Lösung oder weitere Schritte zu definieren macht mir große Freude. Auch, wenn man einen Tag durchstrukturiert hat, lief es am Ende anders als zu Beginn gedacht. Es wird dadurch nie langweilig und man lernt jeden Tag Neues dazu.
Um deinen letzten Satz gleich einmal aufzugreifen. Recruiting ist ja ständig im Wandel und muss angepasst werden. Das hängt unter anderem mit der Zielgruppe selbst zusammen, denn jede Generation stellt neue Anforderungen an Arbeitgeber. On Top kommt der seit letztem Jahr andauernde Ausnahmezustand durch Corona.
Wie schaffst du es zum Beispiel, die viel diskutierte Gen Z zu erreichen und ist dir generell bei den Kandidat*innen seit der Pandemie eine Verhaltensveränderung bezüglich der Ansprüche oder Motivation aufgefallen?
Cornelia: Egal, wie die Generation heißt, es ist immer wichtig zu wissen „wo“ treffe ich meine Zielgruppe an, „was“ ist ihnen wichtig und „wie“ kommuniziere ich mit ihnen. Und ganz besonders ist dabei ein echtes Interesse und dieses wertschätzend und authentisch rüberzubringen. Auf Seiten eines veränderten Kandidatenverhaltens sind das Thema Flexibilität in der Arbeitszeit sowie die Wechselmotivationen deutlicher im Fokus als noch vor einem Jahr.
Apropos Flexibilität: Die Beschränkungen haben sicherlich Einfluss auf eure Interviews etc.
Wie laufen bei euch derzeit die Interviews mit den Bewerber*innen ab?
Cornelia: Tatsächlich finden die Bewerbungsgespräche größtenteils digital statt. Das vereinfacht an vielen Stellen die logistischen Themen im Recruiting-Prozess. Auf der anderen Seite entgehen einem durch die technischen Lösungen die Eindrücke, die man sonst auf der zwischenmenschlichen Ebene im Live-Kontakt wahrnimmt.
Du sagst es. Jetzt, wo in der Regel die meisten Bewerbungsgespräche via Teams und Co stattfinden (müssen), ist es für Personaler*innen schwieriger, die Körpersprache der Kandidat*innen zu beobachten.
Wie gehst du damit um?
Cornelia: Ich versuche durch gezielte Kommunikation solche Aspekte aufzuwiegen. Das heißt, ich frage zum Beispiel beim Gesprächseinstieg nach der Gefühlslage – wie aufgeregt ist diejenige auf einer Skala von eins bis zehn. Mir ist es wichtig, dass ich die Beobachtungen, die ich wahrnehmen kann, auch direkt anspreche. Da spielt natürlich auch die Erfahrung eine große Rolle, denn es ist kein Geheimnis, dass viele Bewerber*innen beim Vorstellungsgespräch nervös sind. Um ihnen diese etwas zu nehmen, spreche ich sie aktiv darauf an und vermittle ihnen, dass das ganz normal ist und das beruhigt viele dann auch.
Du bringst jahrelange Berufserfahrung aus dem HR Business mit:
Auf welches deiner Projekte/Ergebnisse bist du besonders stolz?
Cornelia: Durch meine Coaching Ausbildung begleite ich Menschen in Veränderungsprozessen. Es macht mich unheimlich stolz, zum einen, den individuellen Entwicklungsprozess zu begleiten. Und zum anderen, im zeitlichen Verlauf zu sehen, wie der Coachee sich weiterentwickelt hat und welche neuen Perspektiven sich dadurch aufgetan haben.
Den Coaching-Aspekt greifen wir doch direkt noch einmal auf:
Bei welchen Punkten im Recruiting kannst du die Inhalte deiner Ausbildung am besten anwenden?
Cornelia: Ehrlich gesagt an recht vielen Punkten, aber vor allem im direkten Kontakt mit den Kandidat*innen. Hier hilft mir die Transaktionsanalyse. Zum Beispiel, wenn ich in einem Lebenslauf sehe, dass der- oder diejenige die erste Ausbildung abgebrochen hat, dann frage ich nach dem “Warum” und leite unter anderem anhand der Antwort die Haltung der Kandidat*in ab. Diese Betrachtungsweise unterstützt mich, um herauszufinden, wie gut eine Person zum restlichen Team passt und ich kann die Motivation der Bewerber*in erkennen. Kurzum: welcher Typ Mensch sitzt da vor mir und welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen ihn oder sie aus.
Eine wirklich spannende Herangehensweise! Wenn wir einmal zu den Personen gehen, die im Vorstellungsgespräch überzeugen konnten:
Welchen Rat würdest Du Kollegen*innen und Mitarbeiter*innen geben, um sich weiter zu entwickeln, wenn dabei nicht auf Ressourcen wie Zeit und Geld geachtet werden müsste?
Cornelia: Ich würde allen raten, die Möglichkeit zu nutzen, an einem selbst gesteckten Ziel (egal ob beruflicher oder privater Natur) über die „Working Out Loud“ – Methode zu arbeiten, um zu sehen, was dabei durch vernetztes Arbeiten tolles Neues entstehen kann.
Der Grund für diesen Rat ist, dass ein Arbeitgeber an der Weiterentwicklung seiner Mitarbeitenden interessiert ist. Allerdings wird ein vorgefertigtes Weiterbildungsprodukt/-programm, nie 100% die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen treffen. Und WOL als Selbstlernmethode ist daher eine super Chance für Arbeitnehmer*innen, sich dennoch individuell fortzubilden. So ein WOL-Circle dauert 12 Wochen und besteht aus vier bis fünf Personen, die sich einmal pro Woche treffen und sich über Ihre Wochenaufgaben austauschen. Daher würde ich gern genau diese Zeit für jede*n bewusst einräumen.
Danke dir für den Einblick, schließlich sind Weiterbildungs- und Entwicklungsperspektiven sowohl für die Mitarbeitergewinnung als auch für die -bindung entscheidend. Ich habe zum Schluss noch eine Frage zu einem Recruiting Insight. Wie würdest du den folgenden Satz beenden?
Talente erreicht man nicht mehr nur mit Stellenanzeigen, sondern es braucht auch…
Cornelia: …echte Touchpoints im Alltag.
Als Beispiel war ich heute am 02.02.21 in meiner Mittagspause auf Clubhouse. Dort hat Gunnar Kilian (Vorstand Personal und Truck & Bus bei Volkswagen AG) im Talk auf die Frage einer Teilnehmerin (arbeitet bei VW als Softwareentwicklerin), wie man sich bei VW weiterentwickeln kann, geantwortet „schreib mir eine Mail und wir finden eine individuelle Lösung für Dich“. Einfach Möglichkeiten schaffen, um in den Kontakt zu kommen. Es geht nicht um Prozesse und Hierarchien, sondern um die Anliegen und den Austausch mit den Talenten/Personen.
Ein schönes Schlusswort. Danke dir für deine Zeit und deine spannenden Einblicke in deine HR-Erfahrungen! Wir wünschen dir weiterhin alles Gute und bleib vor allem gesund. 😊
Was ist HRunited?
Digitalisierung, Fachkräftemangel, demographischer Wandel: HR steht derzeit vor vielen Hürden, die eine Personalabteilung nicht allein lösen kann. Wir wollen Unternehmen durch die Krise helfen. Und weil es nicht das EINE Tool dafür gibt, bieten wir nun verschiedenen HR-Expert*innen eine Plattform, um zum einen ihre Erfahrungen und Probleme, aber auch ihre Tipps und Tricks zu teilen.